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Rhythmus und Distinktion<br />

Zu Beginn einer Suche nach Diskursen und Dispositiven des Rhythmischen<br />

müssen eine Definition und die Frage nach einem ›Nullpunkt‹ stehen. Wenn ich<br />

mich auf eine Umfassung des Begriffes des Rhythmischen verständigen sollte,<br />

so würde ich dies zunächst und ad hoc auf den Begriff der Distinktion zurückführen<br />

wollen. Das Rhythmische (und mit ihm die Frequenz, der Takt, das Metrische<br />

usf. – also alle Phänomene innerhalb des Feldes des ›Klanglichen‹ als Organisations-<br />

und Ordnungsprinzips) lässt sich meines Erachtens auf die Frage<br />

zurückführen, wie die Einteilung in sie eingeschrieben wird: Rhythmus ist Distinktion.¯101<br />

Diese Umfassung führt auch zu der Betrachtungsweise, einen Kulminationspunkt<br />

dieser Distinktionsstiftung benennen zu können. Betrachten wir das<br />

Rhythmische als eine Struktur des Einteilens, dann wird deutlich, dass sich<br />

das Augenmerk auf die Verbindung von Einteilung und ›everyday life‹ richten<br />

muss, also auf die Punkte, an denen die Distinktion ihren Weg in die soziale<br />

Praktik findet. Mit Gendolla (1992, 35ff) oder Beck (1994) wäre ein solches Moment<br />

im mittelalterlichen Kloster benennbar.¯102 Durch die Einteilung des Tages<br />

in distinkte Einzelteile, die jeweils innerhalb eines festen Ordnungsrasters<br />

von Arbeit und Gebet stehen, ist die Ordnung des klösterlichen Lebens möglicherweise<br />

einer der Punkte, an dem das Raster des Rhythmischen etabliert<br />

wird. Die Überführung dieses Rasters in die gesellschaftliche Ordnung würde<br />

dann übernommen werden vom Schlag der Zeit, also den Glockengeläuten<br />

und Kirchenuhren, die die Tagesrasterung des Klösterlichen in das Alltagsleben<br />

überführen.¯103 Hier etablieren sich (in einer sehr reduktiven und metaphorischen<br />

Betrachtungsweise) sinnfällig Arbeit, Zeit und Rhythmisierung von<br />

Zeit zu einem Ordnungssystem. Ende des 13. Jahrhunderts findet eine (erste)<br />

Einführung der Linearisierung und Distinktion im Erleben der Zeit an einem<br />

Ort der Ordnungsmacht statt. Ein von ›außen‹ aufgesetzter Takt reglementiert<br />

und ordnet die Arbeit des Subjekts wie auch der Gesellschaft.<br />

Der somit etablierte distinkte Rhythmus ›erfindet‹ die (effektive – und hier<br />

noch hegemonial-repressive) Arbeit.<br />

»Everyday life is modelled on abstract, quantitative time, the time of watches and clocks. This<br />

time was introduced bit by bit in the west after the invention of watches, in the course of their<br />

entry into social practice. This homogeneous and desacralised time has emerged victorious since<br />

it supplied the measure of the time of work« (Lefebvre 2004, 73).<br />

Distinktion 109

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