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Quel einen Textbegriff, der wie ein Vorgriff auf die Apparatusdebatte ¯161 zu<br />

lesen ist:<br />

»Unter ›Texten‹ verstehen wir im weitesten Sinne alle Kulturprodukte, die sich in die grundlegenden<br />

Mythen dieser [i.e. kapitalistischen] Gesellschaft investieren lassen: Bibliotheken,<br />

Konservatorien, Museen, Institutionen und ähnliche Kulturreservate dienen als Basis für die<br />

Inszenierung einer ›Formengeschichte‹, die eine bestimmte, von der herrschenden Klasse festgelegte<br />

Funktion zu erfüllen hat« (Tel Quel 1971, 185f; zit. n. Kreimeier 2006, 234).<br />

Im Rückgriff auf den Marxistischen Materialismus dekliniert der hier vertretene<br />

Text- und Zeichenbegriff das Gesamtsystem der (bürgerlichen) Ideologie<br />

als auf einem Ensemble von Sprach-, Text- und Zeichensystemen aufsitzend.<br />

So entsteht ein symbolisches System, das die ideologischen und ökonomischen<br />

Kämpfe und Auseinandersetzungen in sich inkorporiert und damit die Manifestation<br />

aber auch den Stabilisierungsmechanismus von dominanten Ideologien<br />

darstellt.<br />

»Alles ideologische hat Zeichencharakter. [...]. Jedes ideologische Zeichen ist nicht nur die Widerspiegelung<br />

oder der Schatten der Wirklichkeit, sondern auch ein materieller Bestandtteil dieser<br />

Wirklichkeit. Jedes ideologische Zeichenphänomen manifestiert sich in irgendeinem Material,<br />

einem Ton, einer physikalischen Masse, einer Farbe, einer Körperbewegung usw.« (Voloşinov<br />

1975, 56; Herv. im Orig.¯162).<br />

Warum sich dieser radikale Textbegriff nicht dezidiert in der Apparatusdebatte<br />

niederschlägt, ist eine wissenschaftshistorisch zwar interessante, aber wohl<br />

kaum sinnvoll zu beantwortende Frage.¯163 Die ›Lücke‹ in der symbolischen<br />

Fundierung ist aber vorhanden.<br />

Winkler hat in seiner Lesweise die ›Lücken‹ der Apparatustheorie in der Erklärung<br />

der Herstellung der Transparenzordnung dahingehend ergänzt, als Transparenz<br />

eben nicht nur apparativ, sondern auch symbolisch (im Sinne der Referenz)<br />

hergestellt wird.¯164 Jenseits des dort verhandelten Problemfeldes geht<br />

es Winkler auch um die Frage, wie eine symbolische Theorie des technischen<br />

Bildes dazu verwendet werden kann, den ideologiekritischen Ansatz um das<br />

Sprachlich-Symbolische zu ergänzen. Den etwas fruchtlosen Versuchen der<br />

Filmsemiotik stellt Winkler einen ›gröber geschnitzten‹ Ansatz gegenüber, der<br />

sich maßgeblich an der Gestalttheorie orientiert. Den Problemen der frühen<br />

Filmsemiotik – also beispielsweise das singuläre Bildzeichen zu identifizieren<br />

– stellt er den Ansatz gegenüber, quasi ad hoc die Sprachlichkeit des Bildes<br />

zu unterstellen und eher nach der Instantiierung und Dynamisierung dieser<br />

sprachliche Zeichen zu fragen. Der Ausweg hierbei ist es, sich nicht auf das Bild-<br />

Apparatus 165

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