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Nohr_Natürlichkeit_Onlineversion

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die starke Genreorientierung¯159 und die (teilweise)<br />

recht starre Weiterschreibung von Genreelementen<br />

ist hier ein sehr funktionaler Punkt der<br />

Stabilisierung von Wiederholungen gegeben. Bestimmte<br />

Handlungsmomente, beispielsweise des<br />

Weg-Findens und Orientierens, aber auch konventionelle<br />

Lösungsschemata der Zielerfüllung, können<br />

hier angeführt werden. Genres wie der first-person-shooter<br />

scheinen ohne solche Konventionalisierungen<br />

kaum vorstellbar. Aber auch andere<br />

riddel-based games oder Horror- und Phantastiknarrative<br />

stellen ihre Effektivität – funktional befeuert<br />

– durch stereotype Genrekonventionen. Hier<br />

wäre en detail noch zu unterscheiden zwischen der<br />

Wiederholung (im Sinne eines mehrfachen Durchlaufens<br />

des Selben) und der Serialität (der variierten<br />

Wiederkehr des Gleichen). Entscheidend ist<br />

hier, dass solche Konventionen intersubjektiv gelten<br />

und verstanden werden. Darüber hinaus wird<br />

das Schema durch den Gebrauch im Spiel habitualisiert<br />

und intersubjektiviert. Dadurch wird es einerseits<br />

zur Konvention, aber auch an den Gebrauch<br />

und das Handeln selbst geknüpft. Diese vorgebliche<br />

Unmittelbarkeit im Handeln und Gebrauchen lagert<br />

sich an das Stereotyp an und arbeitet somit an seiner<br />

Naturalisierung. Schemata werden hier durch<br />

soziointegrative Effekte vom Subjekt in die Gesellschaft<br />

überführt und dabei auch latent stabilisiert.<br />

Das Stereotyp muss, um sich realisieren zu können,<br />

mit dem Repertoire des Konventionellen korrespondieren.<br />

Es realisiert sich somit immer intertextuell,<br />

also im Zusammenspiel mit anderen Texten, da<br />

der einzelne Text niemals das Stereotyp selbst sein<br />

kann. Stereotypisierungen zielen also auf die »Konventionalisierung<br />

eines Musters« (ebd. 33) als interpersonale<br />

Kohärenzstiftung. Dabei normieren sie<br />

auch kommunikatives und unmittelbar praktisches<br />

Handeln. Die Habitualisierung von Handlungen und<br />

artikuliert‹. Meine These ist an dieser Stelle, dass<br />

hinter dem vorgeblichen Zitieren, Re-Zitieren und<br />

sampeln des technischen Bildes im Spiel ein hochgradig<br />

aufgeladenes und vor allem an die Diskurse<br />

und Sprechweisen rückgekoppeltes Artikulationssystem<br />

wirkt, das nicht abbildend und nicht ›fotorealistisch‹<br />

agiert, sondern im Sinne einer vorgeblich<br />

intuitiv ›lesbaren‹ Artikulation. Wie also wird<br />

das Spiel-Bild zu etwas, das wir glauben, ganz<br />

›selbstverständlich‹ zu verstehen – eben auch jenseits<br />

seiner Stereotypen und Rhetoriken?<br />

Apparatustheorie<br />

Die ›Lösung‹ eines solchen Problems liegt in der<br />

Weiterführung der ideologiekritischen Variante<br />

der Apparatustheorie der 70er. Dort taucht<br />

bereits die Frage auf, wie es das technisch hergestellte<br />

Bild des Kinos schafft, mit der Realität<br />

verwechselt zu werden, ein Fenster zur Welt zu<br />

öffnen und dabei vor allem seine ›Gemachtheit‹<br />

zu verschleiern. Das Kino organisiert seine Bildkompetenz<br />

seit seinem Bestehen über eine vorgebliche<br />

Referenzialität. Die Leinwand erscheint<br />

als Fenster zur Welt, die auf der Leinwand sich abspulende<br />

Bilderzählung wird eben nicht als eine<br />

Aneinanderreihung symbolischer, arbiträr organisierter<br />

Operationen verstanden, sondern von<br />

seinem Betrachter als ›echt‹ qualifiziert und ›intuitiv‹<br />

verstanden. Es gibt keine Grammatik und<br />

kein Lexikon des Kinos, man muss keine Kurse besuchen,<br />

um visuelle Kompetenz zu erlangen. Demzufolge<br />

kann das Kino seine ›<strong>Natürlichkeit</strong>‹ evozieren,<br />

indem es seine Bilder ›naturalisiert‹. Die<br />

Techniken (sowohl der Aufnahme als auch der Projektion)<br />

sind uns nicht präsent, ebenso wenig wie<br />

die mit uns im Kino sitzenden anderen Zuschauer.<br />

Ein raschelnder Popkornbecher, ein Laufstreifen<br />

162 Unmittelbarkeit und Gemachtheit

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