Nohr_Natürlichkeit_Onlineversion
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Dass ›wir‹ Gordon Freeman sind, ist die Konsequenz<br />
des bis hierhin Vorgetragenen. Wenn Computerspiele<br />
sich über die einer Gesellschaft zugrundeliegenden<br />
Diskurse und Wissensformen<br />
organisieren, dann liegt es nur nahe, dass dieses<br />
Wissen den Spielenden ›mit enthält‹, dass also die<br />
Artikulationen des Spiels den Spieler adressieren<br />
und ihn anschlussfähig machen an das Wissen<br />
des Spiels. Die zwei vorangegangenen Kapitel haben<br />
sich als historische Explorationen der archäologischen<br />
Achse der Spiele verstanden. Mit der<br />
Auseinandersetzung um die Spielreihe Half-Life<br />
(1998- 2006) und die sogenannte Gewaltdebatte<br />
liegt nun eine dezidiert aktuelle Analyse vor, die<br />
sich weitaus mehr als bis dato vorgetragen der genealogischen<br />
Analyse der Wissens- und Diskurssysteme<br />
verschreibt. Hierbei soll vor allem aufgezeigt<br />
werden, wie sich die verhandelten Diskurse<br />
und Dispositive ›quer‹ zu den Objekten in unterschiedlichen<br />
Gegenständen niederschlagen – in<br />
unserem Beispiel von einer Debatte der Medienöffentlichkeit<br />
bis hin zu einem Spiel. Diese Darlegungen<br />
gehen von der Prämisse aus, dass sich<br />
Wissen und Bedeutungen innerhalb einer Mediengesellschaft<br />
in Form von Narrativen (dem common<br />
sense oder Elementardiskurs) diskursiv organisieren<br />
und dabei nicht auf eine bestimmte und<br />
klar abgrenzbare Artikulationsebene beschränkt<br />
bleiben. Exemplarisch wird daher die Half-Life-<br />
Serie auf ein solches Setting von Aussagepraktiken<br />
untersucht. Dazu werden in einem ersten<br />
Schritt die Beiträge einer Mailingliste analysiert,<br />
um ein breites Sample an Aussagen über Shooter<br />
zu rekonstruieren. Dabei fällt ein deutliches zugrunde<br />
liegendes bipolares Wertungsschema auf,<br />
das unter dem Schlagwort von ›Dissidenz vs. Ideologie‹<br />
zusammengefasst wird. In einem zweiten<br />
Schritt wird dieser common sense auf sein Auftreten<br />
im Spiel, im Produkt und im Interface der<br />
Half-Life ist eine Serie erfolgreicher Ego-Shooter<br />
der Entwicklerfirma Valve Software. Diese Serie besteht<br />
im Kern aus dem ersten Spiel Half-Life (veröffentlicht<br />
am 31. Oktober 1998), das als erster Shooter<br />
mit einem vergleichsweise hohen narrativen<br />
Background und Paratext gilt, und dem wegen seiner<br />
lange angekündigten, innovativen Physikengine<br />
mit Spannung erwarteten Nachfolger Half-Life<br />
2 (veröffentlicht am 16. November 2004). Eine Reihe<br />
von Modifikationen und Spin-Offs (bspw. Half-Life<br />
- Blue Shift (2001) oder Half-Life 2 Episode One<br />
(2004)) gruppieren sich um diese beiden Kernspiele.<br />
In Half-Life übernimmt der Spieler die Figur des<br />
Physikers Gordon Freeman, der in der Forschungseinrichtung<br />
Black Mesa in New Mexico arbeitet.<br />
Während eines misslungenen Experiments wird die<br />
Einrichtung von extraterrestrischen Invasoren überrannt<br />
und es öffnen sich Wege auch in die Welten<br />
der Aliens. Der Spieler muss sich dabei mit seinem<br />
Avatar nicht nur den unterschiedlichen außerirdischen<br />
Gegnern entgegenstellen, sondern auch<br />
den eintreffenden amerikanischen Soldaten und<br />
Agenten, deren Auftrag die Elimination aller Zeugen<br />
des Vorfalls ist. Auf seinem Weg durch die Anlage<br />
begegnet der Spieler immer wieder einem geheimnisvollen<br />
Mann im Hintergrund, dem G-Man,<br />
der ihm am Ende des Spiels ein Jobangebot unterbreitet.<br />
Half-Life 2 setzt die Geschichte an diesem<br />
Punkt fort: Etwa zwanzig Jahre nach den Ereignissen<br />
in Black Mesa wird Gordon Freeman vom G-Man<br />
aus einer Stasis geweckt. Der Spieler findet sich unvermittelt<br />
in einer Welt wieder, die von Außerirdischen<br />
(den Combine) überrannt worden ist und<br />
von einem humanoiden Diktator beherrscht wird.<br />
Mithilfe von Freunden, Verbündeten und Widerstandsgruppen<br />
infiltriert der Spieler die Architektur<br />
der Invasoren und stürzt deren Herrschaft.<br />
Diskurse<br />
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