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namentale Masse‹ der Tillergirls (Kracauer 1977, 50f), die Analogisierung von<br />

Akkordarbeit, Rhythmus und Arbeiterbewegung zum Fließband als umgangssprachliche<br />

»Jazz-Band« (Hermann 1996, 132), Ruby Keelers und Lee Dixons Tanz<br />

auf der Schreibmaschine (Abb.33) – all dies könnte als Signifikante für eine<br />

Veränderung der Wahrnehmung von Körper, Arbeit und Vergnügen über eine<br />

Medialisierung des Rhythmusdispositivs beschrieben werden. Reflektiert werden<br />

soll an dieser Stelle aber zunächst die Veränderung des ›Rhythmuskörpers‹<br />

durch die Veränderung der Arbeit. Dass dies ein übergreifender Prozess ist, der<br />

in weiterem Sinne ein gesellschaftliches wie subjektives Dispositiv verändert,<br />

ist mehrfach ausgeführt worden (Prost 1999). Im Grunde soll an dieser Stelle<br />

nur der Wandel von der körperlichen zur mentalen Arbeit als eine Struktur der<br />

›Entkoppelung‹ von Interesse sein.<br />

Wenn also, wie oben schon einmal angedeutet, der Körper aus der Arbeit heraustritt,<br />

so scheint sich aber der Rhythmus an anderer Stelle als Disziplinierung in<br />

die Arbeit einzuschreiben. Das externe Körpermoment wird inkorporiert und<br />

zu Arbeitsdisziplin überformt. Der Rhythmus verlässt die Fließband- und massenindustrielle<br />

Arbeit, die Arbeit ändert sich, die Idee des in der Arbeit choreografierten<br />

Körpers tritt vorgeblich aus dem Fokus. Und nicht zuletzt scheint<br />

die Arbeitswissenschaft ihre Effektivität zu verlieren.<br />

Als These soll folglich postuliert werden, dass sich die Rhythmisierung der Erwerbsarbeit<br />

sowohl in arbeitsökonomischen wie auch in ›selbst-technologischen‹<br />

Diskursen weiter an eine ›entkörperlichte‹ Arbeit anbindet:<br />

»Über das Manuelle hinaus werden auch seelische Dispositionen durch psychotechnische Eignungsprüfungen<br />

zu erreichen gesucht. Das Massenornament ist der ästhetische Reflex der vom<br />

herrschenden Wirtschafssystem erstrebten Rationalität« (Kracauer 1974, 54).<br />

»Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mußten auch Büroangestellte in zunehmendem<br />

Maß den Prinzipien der Mechanisierung gehorchen. Sie wurden gezwungen, ihre Arbeitszeit an<br />

neue Büromaschinen ›gefesselt‹ zu verbringen – ihre mechanischen Rechenmaschinen, ›Electic<br />

Pens‹ und Schreibmaschinen, Kopiergeräte (oder ›Mimeographen‹), Diktiergeräte, Telefonvermittlungen«<br />

(Huhtamo 2007, 23).<br />

Ein ›Weg‹ der Argumentation könnte es sein, mit der Veränderung der Arbeit<br />

auch von einer Veränderung der diskursiven Steuerung der Arbeit auszugehen:<br />

Dann würde die klassische (Gilbrethsche) Arbeitswissenschaft möglicherweise<br />

als von der jungen Disziplin der Kybernetik ersetzt zu betrachten sein. Eine andere<br />

Perspektive ist es, an dieser historischen Stelle dem Weg des disziplinierenden<br />

Diskurses selbst zu folgen. In dieser Perspektive scheint die (moderne)<br />

Dienstleistungsarbeit den Körper vorgeblich von seiner rhythmischen Disziplin<br />

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Rhythmus und Arbeit

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