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Das Phantastische als das Natürliche<br />

Warum nun aber soll ausgerechnet die (literaturwissenschaftliche) Kategorie<br />

des Phantastischen erklären helfen, wie sich die Zeichen und Bilder über die<br />

Konventionen versöhnen? Vorrangig deshalb: Der Zuschauer / Leser ist in der<br />

klassischen Theorie des Phantastischen die Existenzbedingung nicht nur des<br />

Textes, sondern auch der Funktionalität des Textes.<br />

Zunächst aber zur Definition: Strukturell lässt sich das genuin Phantastische<br />

als Textualisierung von Phänomenen jenseits von Erfahrungswirklichkeit(en)<br />

beschreiben. Verschiedene Theoretiker (so Tzvetan Todorov, Roger Callois oder<br />

Theodor W. Adorno – s. nebenstehenden Textkasten) haben die Phantastik im<br />

Wesentlichen als Bruch in der gewohnten Wahrnehmung<br />

beschrieben. Schon daran wird offen-<br />

Tzvetan Todorov (1972) definiert die Phantastik als<br />

Auflösung eines Realitätskonzeptes durch die Erweiterung<br />

der Erfahrungswirklichkeit. Dieses struksichtlich,<br />

dass die Wahrnehmung dessen, was<br />

phantastisch wirkt, Veränderungen unterworfen<br />

ist. Es liegt nahe, diese Veränderungen unturelle<br />

Verständnis der Phantastik (welches durchaus<br />

in Abgrenzung zu Callois gelesen werden kann)<br />

ter der Perspektive einer sich historisch verändernden<br />

Ausdifferenzierung des Wissens über<br />

beinhaltet auch deren Ende. Todorov sieht den Tod<br />

der Phantastik in der Psychoanalyse begründet<br />

die Erfahrungswirklichkeit zu betrachten. Die Labilität<br />

(ebd. 149ff). Die Themen der Phantastik werden zu<br />

Themen der Psychoanalyse, die Durchdringung und<br />

Auflösung der Tabus löst die Grenzen zwischen den<br />

(Erfahrungs-) Welten auf. Roger Callois (1974) definiert<br />

Phantastik als Phänomen des Textkorpus: »Im<br />

der Grenze zwischen Wahrnehmungs- und<br />

Darstellungsperspektive liegt sowohl in sich verändernden<br />

Perspektiven beim Autor wie auch<br />

beim Rezipienten begründet. Insofern kann das<br />

Phantastische als Analyseobjekt an den Wendepunkten<br />

Phantastischen aber offenbart sich das Übernatürliche<br />

eines tradierten Darstellungsmodus<br />

wie ein Riss in dem universellen Zusammenhang.<br />

Das Wunder wird dort zu einer verbotenen<br />

Aggression, die bedrohlich wirkt, und die Sicherheit<br />

einer Welt zerbricht, in der man bis dahin die<br />

Gesetze für allgültig und unverrückbar gehalten<br />

hat« (ebd. S.47). Dienlicher scheint hier schon eine<br />

Betrachtungsweise des Phantastischen als Phänomen<br />

des Erkenntnisprozesses, wie sie beispielsweise<br />

Adorno (1970) in der Ästhetischen Theorie<br />

leistet: »Phantastische Kunst, die Romantische wie<br />

Züge davon in Manierismus und Barock, stellen ein<br />

Nichtseiendes als Seiendes vor [...] Der Effekt ist die<br />

Präsentation eines Nichtempirischen als wäre es<br />

empirisch« (ebd., 36).<br />

(eben beispielsweise am Übergang vom fotografisch-technischen<br />

Bild zum simulierten technischen<br />

Bild) an Bedeutung gewinnen. Aber auch<br />

punktuelle, subjektive Befindlichkeiten gewinnen<br />

in einer psychologisch motivierten Ausdeutung<br />

an Bedeutung. Die Kompensationsfunktion<br />

des Phantastischen, innerhalb derer Modernisierungsängste<br />

in andere Ausdrucksformen transformiert<br />

und verarbeitet werden, ist nicht zuletzt<br />

von Ernst Bloch¯168 exemplarisch herausgearbeitet<br />

worden. Im Spannungsfeld zwischen Literaturtheorie<br />

und Kritischer Theorie kann das<br />

Phantastische somit verkürzend als dualistisches<br />

Prinzip verstanden werden, das eine Erfahrungs-<br />

176 Unmittelbarkeit und Gemachtheit

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