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kann, fußt auf 17 akribisch ausgeführten, logischen Schlussfolgerungen. Kernpunkt<br />

für Poes Argumentation ist allerdings, dass die angebliche Maschine besiegbar<br />

ist.<br />

»Ist das Princip erst einmal entdeckt, nach welchem man eine Maschine dazu bringen kann,<br />

Schach zu spielen, so bedarf´s blos einer Erweiterung solchen Principes, sie das Spiel auch gewinnen,<br />

und einer neuerlichen Erweiterung, sie jedes Spiel gewinnen zu lassen, will sagen sie<br />

in den Stand zu setzen, jedweden Gegen-Spieler zu schlagen. Schon nach kurzem Nachdenken<br />

muß Jedermann zu der Überzeugung gelangen, daß die Schwierigkeit, welche darin besteht eine<br />

Maschine zum Gewinnen sämtlicher Schach-Partien zu bringen, um nichts größer sein kann<br />

denn diejenige, die es zu meistern gilt, um solche Maschine auch nur eine einzige Partie gewinnen<br />

zu lassen« (ebd., 276).<br />

Zwei Perspektiven sind es, die an der Poes Argumentation signifikant und auf<br />

den aktuellen Status der Game Studies übertragbar sind. Zum einen wird an<br />

einer solchen Argumentation deutlich, dass Aussagen über Computer, digitale<br />

Medien und rechnende Maschinen immer und zu großen Teilen von Wünschen<br />

und Diskursen durchzogen sind – Wünschen, Projektionen und Konstellationen,<br />

die zumindest rückwirkend aussagekräftig in der Konstruktion und Rekonstruktion<br />

von Diskursen sind. Denn die Auseinandersetzung und das hohe<br />

Interesse an der Kempelen´schen Maschine beruhen – wie jede magische Vorführung<br />

– auf der subjektiven (und teilweise auch gesellschaftlichen) Konstellation,<br />

›glauben zu wollen‹¯7 ; beruhen auf der technische Vision und dem<br />

subjektiven Wunsch nach Maschinentechniken der Intelligenzsubstitution.¯8<br />

Wie weit ist das Versprechen des schachspielenden Roboters entfernt von dem<br />

Versprechen der ›künstlicher Intelligenz‹ aktueller Spiele? Wie weit sind die<br />

Anfang der 90erJahre geführten euphorischen Diskussionen um Cyborgs, der<br />

Externalisierung unserer Gehirnfunktionen in die Netze, oder die Verheißung<br />

selbststeuerender Automaten von den gesellschaftlichen Wunschkonstellationen<br />

der damaligen Londoner Salons entfernt?<br />

Näher betrachtet aber zeichnet die Auseinandersetzung um den ›Schachtürken‹<br />

(und dies stellt die zweite Perspektive dar) bereits die Argumente dessen<br />

vor, was als Eckpunkte der aktuellen Diskussion um die Computer-, Handy oder<br />

Konsolenspiele gelten mag. Poe positioniert sich gegenüber einem Spiel und<br />

verhandelt, was zwischen ihm und dem Spiel geschieht. Die Frage, die Poe aufwirft<br />

und die auch als produktiv für die hier verhandelten Game Studies gelten<br />

könnte, ist also diejenige, was Computerspiele ›evozieren‹, was sie hervorrufen<br />

und was Betrachter und User mit ihnen verhandeln.<br />

20<br />

Evokationen und sublime Objekte

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