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Nohr_Natürlichkeit_Onlineversion

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und verborgenen cheats, die durch eine Tastenkombination freigeschaltet werden<br />

können, verweist auf ein dem Spiel inhärent zugehöriges Handeln. Ganz im<br />

Sinne Huizingas kann deshalb konstatiert werden, dass cheaten (also sowohl<br />

das Benutzen von Lösungshilfen als auch der Rekurs auf durch den Entwickler<br />

bereitgestellte ›Vereinfachungen‹) keineswegs eine dissidente Mikropolitik<br />

darstellt, sondern sehr viel mehr als paratextueller Teil des Spiels begriffen<br />

werden muss. Konsequenterweise verhandelt beispielsweise Consalvo Teile<br />

dieses Handelns auch unter dem Oberbegriff der »paratextual industry« (dies.<br />

2007, 182ff).<br />

Der Spieler spielt auch beim cheaten und beim Benutzen von walkthroughs zu<br />

den Bedingungen des Spiels. Im Sinne der oben postulierten Anschlusserwartung<br />

stellen diese beiden Praktiken nichts anderes als ›Frustrationsvermeider‹<br />

da, die das Spiel variabel in seiner Anforderungen machen. So wie es zumeist<br />

frei wählbare Schwierigkeitslevel innerhalb des Spiels gibt, so sind cheats und<br />

walkthroughs im Grunde nichts anderes als Garanten für ein als ›extern‹ wahrgenommenes,<br />

jedoch innerhalb des Spieldispositives wirksames Regulativ, das<br />

für eine möglichst lang anhaltende Adaption an das Spiel sorgen soll.¯184 Ähnliches<br />

gilt auch für das camping¯185: Im Sinne Huizingas mehr als Spielverderben<br />

denn als Regelbruch zu charakterisieren, könnte es zwar als eine gegen das<br />

Spiel an sich gerichtete Handlungsform der geplanten Außerkraftsetzung des<br />

Spiel gewertet werden (vgl. Wright / Boria / Breidenbach 2002); in der üblichen<br />

Handlungspraxis ist der camper aber ein Spieler, der das Spiel gewinnen will,<br />

sich also in seiner Handlung zum (ideologischen) Spiel bekennt und es entsprechend<br />

eines erwartbaren Effektivitätsparadigmas betrachtet.<br />

In ähnlicher Weise sind auch die sportlichen Überformungen von bekannten<br />

Spielen im Rahmen von eSports¯186 und speedruns¯187 oder im Rahmen von<br />

trickjumping¯188 zu werten. Das gemeinhin vorgetragene Argument lautet,<br />

dass die ›exzessiven‹ Durchdringungen kommerzieller Spiele (wie beispielsweise<br />

Counterstrike 1999/2002, Quake 3 Arena 1999 oder Starcraft 1998) durch<br />

an sportlichen Höchstleistungen orientierten Spielhandlungen (im sportlichen<br />

Sinne) oder durch möglichst elegante Beherrschung (im ästhetischen Sinne)<br />

angeeignet und aus ihrem narrativen Kontext befreit würden. Eine solche Aneigungsfunktion<br />

soll per se auch nicht bestritten werden. Sie ist jedoch auf der<br />

Ebene der Ideologiekritik irrelevant, da auch hier in ähnlicher Weise Ökonomien<br />

der Aufmerksamkeit, des Zugangs oder schlicht Anschlusserwartungen<br />

generiert werden, die zuallererst den Spieler an die Form des Spiels adaptieren<br />

und somit die Effektivität des Dispositives sicherstellen.<br />

Anders verhält es sich mit Formen spielerischen Handelns, die sich im weitesten<br />

Sinne auf die Implementierung von Handlungspraktiken in das Spiel beziehen,<br />

Appropriation 207

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