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Nohr_Natürlichkeit_Onlineversion

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Bei Gastev war es nicht mehr jeder Arbeiter, der sich dieser Rhythmusdisziplin<br />

unterwirft, sondern nur noch die Elite der Arbeiter, die in der Lage sind, die<br />

»Akkommodation durch die Maschinen« auszuhalten.¯120 Im Computerspiel<br />

setzt sich nunmehr eine ›Liberalisierung‹ der Rhythmusarbeit durch, die ihre<br />

subjektive wie gesellschaftliche Akkommodation in einer breiten Varietät von<br />

Koppelungsangeboten und Immersionen herstellt.<br />

Entscheidenster Punkt einer solchen Akkomodation ist sicherlich die Unsichtbarkeit<br />

des Werkzeuges. Der Hammer Gastevs oder die Ziegelsteine Gilbreths<br />

bleiben für den Arbeiter sichtbar. Der Gebrauch der Tanzmatte in Dance Dance<br />

Revolution (1998) oder des Controlers bei Space Channel 5 (2000) geschieht<br />

im Intuitiven, im Unsichtbaren. Sie bilden die immersiven Konstellationen innerhalb<br />

derer sich das disziplinatorische Wissen in die spielende Rhythmusarbeit<br />

einlagern kann. Das monitoring des Rhythmus-Spiels ist keines mehr,<br />

in dem dem Spieler ein dominantes Wissen in Form einer Didaktik angeboten<br />

wird, sondern in dem sich das Wissen unterschwellig und nicht mehr als eine<br />

möglicherweise erkennbare Enunziation anbietet. Dennoch erscheint es plausibel,<br />

auch hier von einer diskursiven Koppelung zu sprechen. Auch im zweiten<br />

historischen Beispiel koppelt sich spezialdiskursives Wissen (Arbeitswissenschaft,<br />

Rhythmusarbeit) über ein reduktives Moment des Spielerischen<br />

erkennbar an das spielende Handeln und wird zum Interdiskurs (Rhythmusspiel).<br />

Dabei scheint die Struktur dieser Koppelung aber wesentlich mehr den<br />

Regeln zu gehorchen, die wir im letzten Kapitel für aktuelle Strategiespiele<br />

in Form von Wirtschafts- und Aufbausimulationen besprochen haben. Es gibt<br />

auch für das Rhythmuswissen keinen erkennbaren Autoren, der ein solches<br />

Wissen in eine Narration o.ä. unter den Prämissen einer Denotation ›codieren‹<br />

würde. Dadurch aber ist die Effektivität dieses Wissensdiskurses nicht weniger<br />

dominant. Im Gegenteil erscheint durch die Unsichtbarkeit nicht nur des Werkzeuges,<br />

sondern auch des Enunziators die Transparenz des Systems wesentlich<br />

effektiver. Denn im Gegensatz zum Kino, in dem die Position des Produzenten<br />

und Herstellers der Repräsentationen als eigene natürliche Perspektive verinnerlicht<br />

werden muss, stellt das Computerspiel meistens Optionen zur Verfügung,<br />

sich als Spieler selbst als Produzent von Fiktion, Handlung und Repräsentation<br />

zu begreifen. Die Position des Bürgermeisters von SimCity wird nicht<br />

als vorentworfenen Rolle und als Angebot zur Identifikation wahrgenommen,<br />

sondern die Perspektive auf die ›eigene‹ Stadt wird verinnerlicht; erst durch<br />

das eigene Handeln setzt sich die ›Fiktion‹ erst in Gang (vgl. dazu auch Morris<br />

2007, 432).<br />

Insofern könnten wir das im letzten Kapitel etablierte Strukturmodell auch insofern<br />

forcieren (bzw. vereinfachen), als wir für eine moderne Gesellschaft den<br />

126 Rhythmus und Arbeit

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