Nohr_Natürlichkeit_Onlineversion
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ment für eine medienbezogene Analyse der Spielräume aufgerufen: Das Spiel<br />
und der Computer teilen sich die visuelle Repräsentation, und beide zielen auf<br />
ihrer Interface-Ebene auf eine idealisierte Darstellung ab. Vier farbig abgehobene<br />
Kreise markieren bei Mensch-ärgere-dich-nicht die Sicherheit des eigenen<br />
Heimes und ein kleines Eimerchen mit einem Grüne-Punk-Logo markiert<br />
im Betriebssystem WindowsXP das reversible Löschen von Dateien.<br />
Eine grafische Benutzerschnittstelle ist eine Softwarekomponente, die einem<br />
Computernutzer die Interaktion mit der Maschine über grafische, metaphorische<br />
Objekte (Desktop, Ordner, Papierkorb, Menü) mittels eines Interface<br />
(Maus, Tastatur, Joystick, Controller) erlaubt.¯48 Mithilfe dieses technologischen<br />
Konstrukts einer Oberfläche, die sich ›über‹ die Maschine legt und einer<br />
aus graphischer und haptischer Ansprache bestehendem Interface stiftet<br />
der Rechner eine Form der Transparenz oder Naturalisierung seiner komplexen<br />
und codebasierten Architektur.<br />
»In the 1980s, most computer users who spoke of transparency were referring to a transparency<br />
analogous to that of traditional machines, an ability to ›open the hood‹ and poke around. But<br />
when, in the mid 1980s; Macintosh computer users began to talk about transparency, they were<br />
talking about seeing their documents and programs represented by attractive and easy-to-interpret<br />
icons« (Turkle 2005, 268).<br />
»GUIs benutzen […] Metaphern, um das Arbeiten mit dem Computer einfacher zu machen, aber<br />
es sind schlechte Metaphern. Ihre Anwendung zu erlernen ist im Wesentlichen ein Wortspiel,<br />
ein Prozess, in dem man neue Definitionen von Wörtern wie ›Fenster‹, ›Dokument‹ und ›sichern‹<br />
lernt, die sich von den alten unterscheiden, ja ihnen in vielen Fällen nahezu diametral entgegenstehen«<br />
(Stephenson 2002, 83).<br />
Das Grafische von Software und Spiel ist somit eine Form der sekundären Signifikation,<br />
die die ›darunter liegende‹ Ebene von Algorithmus und Code zu<br />
einem »wahrnehmungsnahen« Zeichensystem überformt (Sachs-Hombach<br />
2003, 73ff) und das Entstehen funktionaler Narrative (›Ich schiebe das Dokument<br />
in den Ordner‹) und räumlichen Handelns (›Lara Croft geht nach links‹)<br />
ermöglicht.<br />
In einem solchen Verständnis – die Oberfläche des Spiels als Naturalisierung<br />
von Code zu verstehen – wird aber eine Perspektive erkennbar, die das<br />
Spiel innerhalb des Mediums als repräsentationales, symbolisches und intuitiv<br />
›lesbares‹ Medienangebot versteht. Diese effektive Überformung des symbolischen<br />
und arbiträren Codesystems als Bild hat aber weitreichende Konsequenzen.<br />
Der Computer wird – wie in Kapitel 1 schon angedeutet – als Mittel<br />
und Weg verstanden, die ›Sprache zu externalisieren‹, sie ihrer Mehrdeutigkeit<br />
Erste Ebene<br />
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