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wird ein mentales Modell des äußeren Raumes in seiner geographischen wie<br />

temporalen Ausdehnung gebildet: die kognitive Karte.<br />

»Kognitives Kartieren ist ein abstrakter Begriff, welcher jene kognitiven oder geistigen Fähigkeiten<br />

umfaßt, die es uns ermöglichen, Informationen über die räumliche Umwelt zu sammeln,<br />

zu ordnen, zu speichern, abzurufen und zu verarbeiten. [...] Vor allem aber bezieht sich kognitives<br />

Kartieren auf einen Handlungsprozeß: es ist eher eine Tätigkeit, die wir ausführen, als ein<br />

Objekt, das wir besitzen. Es ist die Art und Weise, wie wir uns mit der Welt um uns herum auseinandersetzen<br />

und wie wir sie verstehen« (ebd., 23; Herv. im Orig.).<br />

Die kognitive Karte stellt die subjektiv-repräsentierende Modellation der Umwelt<br />

dar. Sie wird vom Beobachter subjektiv konstruiert und ist geprägt durch<br />

dessen Weltwissen und Intentionen. Sie bildet die direkte, sinnlich repräsentierte,<br />

aber auch die abstrakte, indirekt vermittelte Umwelt ab. Die Funktionen<br />

der kognitiven Karte sind es, eine strukturierte Gliederung der räumlichen<br />

Umwelt bereitzustellen und das beobachtende Subjekt selbst darin<br />

zu lokalisieren, es zu positionieren. Wobei hier die Metapher der Karte nicht<br />

zu sehr überstrapaziert werden sollte – gemeint sind immer noch abstrakte<br />

mentale Konzeptualisierungen und weniger bildlich-repräsentationale Engramme.¯51<br />

Des Weiteren werden, subjektabhängig, Prioritäten im Sinne<br />

räumlicher Objekte oder Anordnungen unproportional gewichtet und gewertet<br />

wiedergegeben. Kognitive Karten sind daher individuell und flexibel, sie<br />

geben die Perspektive des erstellenden Subjekts wieder und nicht eine quantifizierbare<br />

Umweltanmutung (ebd., 46). Die subjektiv erstellte kognitive Karte<br />

ist nicht nur die Repräsentation einer momentanen Umwelt, sondern auch<br />

mit der Erinnerung, Erfahrung, Werten und Normen verknüpft. Aus den kognitiven<br />

Karten vergangener Situationen erwachsen räumliche Vorstellungen<br />

vergangener und aktueller Geschehnisse. Und das Entscheidende an ihnen ist,<br />

dass sie nicht nur an konkreten Umwelterfahrungen, sondern auch an medialen<br />

Erfahrungen und Handlungen gebildet werden können.¯52 Die kognitive<br />

Karte ist ein Hybride aus Selbst- und Umweltwahrnehmung, aus Selbstkonzept<br />

und Erfahrung des ›Da-Seins‹:<br />

»Das Überleben der alten kognitiven Karte als Raum-Karte hat aber Entwicklungsgeschichtlich<br />

damit zu tun, daß sie elementare Positionen einer Körper-Karte übersetzt und nach außen projiziert:<br />

so ist ›innen‹ ursprünglich: Eigenraum des Körpers, und ›außen‹ alles, was sich jenseits<br />

der Körpergrenzen befindet etc. So wie sich die kognitive Raum-Karte auf eine ursprüngliche<br />

Körper-Karte bezog – so wird sich die neue kognitive Zeit-Karte auf eine ursprüngliche Karte des<br />

›Geistes‹ beziehen« (Großklaus 1995, 107).<br />

60<br />

Raumfetischismus

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