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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Peter Kruckenberg<br />

darum, über die Bedingungen zu entscheiden, die für die einzelnen<br />

<strong>Teil</strong>systeme einen günstigen Rahmen abgeben, um in Selbstorganisation<br />

die Effizienz, d.h. die Qualität und Wirtschaftlichkeit der<br />

Versorgung ständig zu verbessern, allerdings in einer politisch hinsichtlich<br />

ihrer Effizienz kontrollierten Selbstorganisation. Unser Sozialsystem<br />

ist aus gutem Grund bedarfsbezogen organisiert. Jeder<br />

Bürger und jede Bürgerin sollen als Mitglied von Sozialversicherungen<br />

oder subsidiär durch Sozialhilfe die gesundheitliche Versorgung<br />

erhalten, die angemessen und notwendig ist. Merkwürdigweise wird<br />

die Frage, ob der Bedarf nach bestimmten Sozialleistungen gedeckt<br />

ist, im politischen und administrativen Raum regelmäßig nicht sorgfältig<br />

geprüft, sondern zumeist von vornherein bejaht, oder die Frage<br />

wird tabuisiert. Die <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete war eine löbliche Ausnahme.<br />

Die Beantwortung der Bedarfsfrage ist in der Tat schwierig.<br />

Um dies auf einer rationalen Grundlage möglich zu machen, wären<br />

sorgfältige Ermittlungen anhand definierter Kriterien in Einzelfällen<br />

und eine regionale Kumulation und Auswertung von Daten erforderlich,<br />

die jedoch gegenwärtig auf Grund der Zersplitterung des<br />

Systems nirgendwo auch nur halbwegs hinreichend vorhanden sind.<br />

Das nicht selten übliche Verfahren, einen so genannten Bedarf anhand<br />

überregionaler Vergleiche von Planzahlen zu beschreiben,<br />

macht wenig Sinn; denn die damit verbundenen Messziffern, z.B.<br />

bezogen auf die Bevölkerungszahl, beruhen im Regelfall auf fachlich<br />

nicht überprüftem Erfahrungswissen, d.h. auf Entwicklungen<br />

in der Versorgungsstruktur, die aus den Verteilungskämpfen zwischen<br />

Leistungsträgern einerseits und den Leistungserbringern andererseits<br />

oder jeweils unter den Mitgliedern der beiden Gruppen hervorgegangen<br />

sind. Die Hilfebedarfe der Leistungsempfänger hatten<br />

da jeweils nur geringen Einfluss. Wenn man aber grobe Fehlsteuerung<br />

im Gesundheitssystem vermeiden will, muss man von diesen<br />

ausgehen. Wir wollen uns hier nur mit einem <strong>Teil</strong>system der psychiatrischen<br />

Versorgung befassen, welches für eine bedarfsbezogenen<br />

Steuerung zur Verbesserung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität<br />

sowie von Wirtschaftlichkeit unerlässlich ist.<br />

<strong>Psychisch</strong>e Störungen sind sehr häufig und betreffen, je nach<br />

Definition und Untersuchungsmethode ca. <strong>25</strong>–45 % der Bevölkerung.<br />

Zur Eingrenzung ist es sinnvoll, Menschen mit psychischen<br />

Störungen im Hinblick auf die Besonderheiten des Hilfebedarfs zu<br />

unterscheiden (s. Abb. 1). Der größte <strong>Teil</strong> psychisch beeinträchtig-<br />

Angebotsorientierte Marktwirtschaft oder bedarfsorientierte Steuerung<br />

bei der Erbringung personenzentrierter Komplexleistungsprogramme<br />

Personenzentrierte<br />

Komplexleistungsprogramme<br />

Spezielle psychiatrisch/<br />

psychotherapeutische<br />

Angebote<br />

Allgemeine medizinische und<br />

soziale Hilfen<br />

Selbsthilfe<br />

Abb. 1: Hilfebedarf bei psychischen Störungen<br />

222 223<br />

ter Menschen kommt ohne besondere Hilfen bzw. mit Selbsthilfeaktivitäten<br />

oder mit der Unterstützung durch allgemeine medizinische<br />

und soziale Hilfen aus oder lehnt spezifische psychiatrische und<br />

psychotherapeutische Hilfen ab. Von den übrigen Menschen mit<br />

psychischen Störungen sind wiederum die meisten in der Lage von<br />

sich aus angebotsorientierte Hilfen, z.B. die der niedergelassenen<br />

Psychiaterinnen und Psychotherapeutinnen, aus eigenem Antrieb<br />

aufzusuchen und, falls ergänzende Angebote erforderlich sind, diese<br />

selbstständig wahrzunehmen. Bei der dritten Gruppe von Menschen<br />

mit psychischen Störungen, zahlenmäßig die kleinste in der<br />

Größenordnung von etwa 1 % der Bevölkerung, sind die psychischen<br />

Störungen zeitweise oder langfristig verbunden mit Fähigkeitsstörungen<br />

in der Alltagsbewältigung und/oder mit sozialen Konfliktlagen.<br />

Sie sind oft auch verbunden mit Störungen der Einsicht in<br />

die Erkrankung und die eigene Lebenslage sowie mit Beeinträchtigung<br />

von Intentionalität und Mitwirkungsfähigkeit oder -bereitschaft<br />

bei der Behandlung. Sie benötigen je nach Situation im Rahmen von<br />

Krisenintervention, Akutbehandlung oder Langzeitbehandlung integrierte<br />

Behandlungs-, Rehabilitations- und Eingliederungsprogramme,<br />

hier kurz Komplexleistungsprogramme genannt. Der individuelle<br />

Hilfebedarf kann zeitlich erheblich variieren, sowohl zu<br />

einem bestimmten Zeitpunkt im Hinblick auf Leistungsspektrum<br />

und Leistungsdichte des Komplexleistungsprogramms als auch im<br />

Verlauf, sodass zu einem späteren Zeitpunkt evtl. gar keine Hilfe<br />

benötigt wird oder ein selbstgewähltes Angebot ausreichend sein

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