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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Iris Hölling<br />

Verein zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt e.V., Beratungsstellen<br />

für <strong>Psychiatrie</strong>-Erfahrene einzurichten, wo Betroffene nichtpsychiatrische<br />

Beratung durch andere Betroffene finden können,<br />

ebenso wie Informationsmaterial, die Förderung von Selbsthilfegruppen<br />

etc. Ein Jahr lang konnte der BPE eine Person beschäftigen,<br />

die Psychopharmaka- und Absetzberatung angeboten hat.<br />

Voice of Soul, eine ungarische <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffenen Organisation,<br />

bietet auch Computer-Kurse und Sprachunterricht für ihre<br />

Mitglieder an und betreibt eine Kaninchenfarm, um Verdienstmöglichkeiten<br />

für die Mitglieder zu schaffen.<br />

Diese Beispiele zeigen neben weiteren in anderen Ländern, dass<br />

<strong>Psychiatrie</strong>-Betroffene ihre eigenen Alternativen zum bestehenden<br />

psychiatrischen System schaffen. <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffene sind nicht<br />

nur ExpertInnen auf Grund ihrer Erfahrungen, d.h. weil sie in der<br />

<strong>Psychiatrie</strong> waren und/oder Verrücktsein, außerordentliche Bewusstseinzustände<br />

und Wahrnehmungen etc. erlebt haben, sondern auch<br />

durch ihre Reflexion über diese Erfahrungen und durch all ihre<br />

anderen Qualifikationen. Viele <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffene haben in<br />

Selbsthilfegruppen mitgearbeitet oder sich wechselseitig unterstützt<br />

oder in Betroffenen-kontrollierten Einrichtungen mitgearbeitet. In<br />

dieser Hinsicht haben sie also auch »professionelle« Qualifiaktionen<br />

zusätzlich zu ihren Qualifiaktionen als <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffene, die<br />

diese Erfahrungen reflektiert und verarbeitet haben.<br />

Der permanente Geldmangel ist das größte Hindernis auf dem<br />

Weg, mehr solcher Betroffenen-kontrollierter Alternativen zu realisieren.<br />

Große Anstrengungen, Beharrlichkeit und ein langer Atem<br />

sind nötig, bevor <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffene angemessene Finanzierungsmöglichkeiten<br />

bekommen. Finanzierungsquellen waren schon<br />

immer ein Kernproblem in der Betroffenen-Bewegung. Die soziale<br />

Situation vieler <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffener ist prekär und mit Ausnahme<br />

weniger Organisationen in Ländern wie Schweden fehlt es den<br />

Betroffenengruppen ständig an angemessenen Geldquellen, um die<br />

geplanten Aktivitäten zu verwirklichen. ENUSP hatte ebenfalls immer<br />

finanzielle Schwierigkeiten. Die erste Finanzierung des European<br />

Desk in den Niederlanden, wo sich das Sekretariat von<br />

ENUSP befindet, kam von der niederländischen Regierung und zwei<br />

<strong>Jahre</strong> lang gab es eine Zuwendung der Europäischen Kommission.<br />

Seit 1999 gab es keine ausreichende Finanzierung mehr, wodurch<br />

ENUSPs Möglichkeiten, seine Ziele umzusetzen, stark reduziert sind.<br />

262 263<br />

Die <strong>Teil</strong>nahme an internationalen Konferenzen ist wegen fehlender<br />

Finanzierung auch oft nur eingeschränkt möglich. Wirkliche Betroffenenbeteiligung<br />

sicherzustellen, bedeutet auch, diese finanziell<br />

zu unterstützen. Außerdem bedeutet wirksame Betroffenenbeteiligung,<br />

Einfluss auf allen Entscheidungsebenen zu haben und von<br />

Beginn an einbezogen zu sein.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Dieser Artikel stellt schlaglichtartig verschiedene Positionen von<br />

<strong>Psychiatrie</strong>-Betroffenen dar und verdeutlicht, warum es nicht die<br />

eine Betroffenen-Position geben kann, obwohl es große Übereinstimmungen<br />

zwischen den Betroffenen gibt. Es reicht nicht aus, willkürlich<br />

ausgewählte einzelne <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffene einzuladen, die ihre<br />

Ansichten darstellen oder ihre Geschichte erzählen, um eine wirklich<br />

wirksame Betroffenenbeteiligung sicherzustellen. Wirkliche Betroffenenbeteiligung<br />

kann nur erreicht werden, wenn alle Beteiligten<br />

in gleicher Anzahl, mit gleichen Rechten ebenso wie Ressourcen,<br />

gleicher Entscheidungsmacht und gleichen Einflussmöglichkeiten<br />

in allen Stadien eines Projekts, einer Initiative, einer Konferenz etc.<br />

zusammenarbeiten.<br />

Literatur<br />

Über die Unmöglichkeit der <strong>Psychiatrie</strong>-Betroffenen-Position<br />

1. PODVOLL E. The Seduction of Madness. Harper Collins, 1990. Dt.:<br />

Verlockung des Wahnsinns. München: Hugendubel 1994: 78ff.<br />

2. Cf. CHAMBERLIN J. The Ex-Patients’ Movement: Where We’ve Been and<br />

Where We’re going. Journal of Mind and Behavior 1990: Vol. 11, No. 3/4,<br />

323–336. Dt.: Erfahrungen und Zielsetzungen der nordamerikanischen<br />

Selbsthilfe-Bewegung. In: KEMPKER K, LEHMANN P (ed.). Statt <strong>Psychiatrie</strong>.<br />

Berlin: Peter Lehmann Antipsychiatrieverlag 1993: 300–317. und<br />

OAKS D. Antipsychiatrie und Politik. In: KEMPKER K., LEHMANN P.,<br />

a.a.O.: 443–448.<br />

3. European Network of (ex-)Users and Survivors of Psychiatry. Information<br />

Brochure. For the history and development of ENUSP cf. also Roth<br />

K. Geschichte und Entwicklung des European Network of (ex-)Users<br />

and Survivors of Psychiatry. Berlin: Peter Lehmann Antipsychiatrieverlag,<br />

2000.<br />

4. European Network of (ex-)Users and Survivors of Psychiatry. Third<br />

Conference, Reading, England, 1997, January 3-6, Report, European<br />

Desk, Feb. 1999: 26-27.

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