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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Toma Tomov <strong>Psychiatrie</strong>-Reform in Osteuropa<br />

richte aus den unterschiedlichsten Bereichen akzeptiert wurden,<br />

welche die Leistungen der zentral geplanten Projekte bestätigten.<br />

Somit fanden sich in der Regel systematische Fehler bei der Erhebung<br />

von quantitativen Daten. Ein weiteres großes Problem bezüglich<br />

der Sicherung der Validität in dieser Region scheint zu sein, dass<br />

jahrzehntelang Tatsachen und Annahmen vermischt wurden, gleichzeitig<br />

wurden Berichte von unabhängigen Expertinnen und Experten<br />

nicht berücksichtigt. Ferner wurden Feldstudien in diesem <strong>Teil</strong><br />

Europas bisher kaum durchgeführt. Gerade aus diesen genannten<br />

Gründen konzentrierte sich das ANAP-Projekt darauf, wissenschaftliche<br />

Gruppen zu bilden, die in der Lage sind, das psychiatrische<br />

Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Man war guter Hoffnung,<br />

dass letztendlich alle Beteiligten in dieser Region Europas das ANAP-<br />

Projekt begrüßen würden.<br />

Vergleicht man die ANAP-Erfahrungen mit den offiziellen <strong>Kranke</strong>nhausstatistiken,<br />

so findet sich ein signifikanter Unterschied: Die<br />

Ergebnisse der Studie geben die Vorstellungen der Osteuropäerinnen<br />

und -europäer bezüglich der bestehenden psychiatrischen Versorgung<br />

dieser Region wieder. Der vorliegende Aufsatz versucht, diesen<br />

Umständen gerecht zu werden.<br />

Sozialpolitischer Fortschritt und <strong>Psychiatrie</strong>-Reformen in Osteuropa:<br />

ein Überblick<br />

Die Länder Osteuropas werden weniger durch ihre Geschichte und<br />

Tradition vereint, vielmehr verbindet sie ihre jüngste Vergangenheit.<br />

Hierbei spielt insbesondere die politische <strong>Teil</strong>ung Europas nach dem<br />

2. Weltkrieg eine entscheidende Rolle, da hierdurch der geschichtliche<br />

Verlauf jedes einzelnen Landes gewaltsam unterbrochen und<br />

verändert wurde. Als dann diese <strong>Teil</strong>ung 1989 aufgehoben wurde,<br />

waren die meisten der etwa 400 Millionen Osteuropäer aus insgesamt<br />

27 Ländern und sechs geopolitischen Regionen im Wesentlichen<br />

mit den Fragen ihrer nationalen Identität beschäftigt. Während<br />

der <strong>Jahre</strong> nach dem Kalten Krieg versuchte jedes dieser Länder an<br />

den Fortschritt der westlichen Welt anzuknüpfen, und dies nachdem<br />

ganz Osteuropa durch die politischen Umstände 50 bis 70 <strong>Jahre</strong><br />

stillgestanden hatte.<br />

Wir wissen mittlerweile, dass die Übereinstimmungen zwischen<br />

diesen Ländern eher scheinbar als wirklich sind, gemeinsam ist die-<br />

292 293<br />

sen Ländern ein durch Kalten Krieg und Isolation bedingter ungenügender<br />

Fortschritt auf den Ebenen der Technologie und der kulturellen<br />

Entwicklung. Die Fortschritte, welche in der zweiten Hälfte des<br />

20. Jahrhunderts in der westlichen Welt erzielt wurden beziehungsweise<br />

in Osteuropa nicht stattfanden, beinhalten auch Reformen des<br />

psychiatrischen Gesundheitswesens. <strong>Psychiatrie</strong>-Reformen in der<br />

westlichen Welt umfassten unterschiedliche Aspekte, insbesondere<br />

die Versuche ein gemeindenahes <strong>Psychiatrie</strong>versorgungssystem,<br />

anstatt der früher gängigen psychiatrischen Anstalten, aufzubauen,<br />

sowie die Einführung psychiatrischer Akutbetten in Allgemeinkrankenhäusern,<br />

und die stärkere Betonung der Selbsthilfeorganisationen,<br />

da diese für die psychosoziale Rehabilitation psychisch<br />

kranker Menschen von großer Bedeutung sind (1, 2). Die osteuropäischen<br />

Länder waren bei diesen Reformen ausgeschlossen. Der<br />

Umgang mit dieser Tatsache und die Befindlichkeit bezüglich dieses<br />

Ausschlusses wurde durch die ANAP-Studie deutlich. Der Abschlussbericht<br />

beschreibt auch, wie sich Engstirnigkeit (3) aus Verbitterung,<br />

Neid, Ärger und Scham ableitet: »In post-totalitären<br />

Gesellschaften scheint Engstirnigkeit (parochialism) ein wesentliches<br />

Merkmal des gesellschaftlichen Lebens zu sein. Weder auf bürgerlicher,<br />

noch auf professioneller Ebene scheint man in der Lage<br />

zu sein, diesen Trend zu unterbinden, bzw. ihr weiteres Fortschreiten<br />

zu vereiteln. Es gibt in Osteuropa eine Kultur, die sich darum<br />

bemüht, Geschehnisse nach einer seit Jahrzehnte geltenden Lehrmeinung<br />

zu erklären, dies dient jedoch lediglich dazu, diese althergebrachte<br />

Lehrmeinung zu verstärken, Veränderungen werden hierdurch<br />

nicht erreicht. Gleichzeitig wird von denen, welche die alten<br />

Lehrmeinungen und Auffassungen vertreten, gerne erklärt, dass<br />

soziale Probleme (wie beispielsweise Engstirnigkeit) innerhalb einer<br />

Gesellschaft durch Saboteure von Außen verursacht werden. Ursächlich<br />

hierfür ist wohl, dass Kulturen mit einem sehr engen Weltbild<br />

den Hang haben, sich selbst zu Grunde zu richten, ohne dies<br />

zu bemerken. Während in den westlichen Kulturen das kritische<br />

Überdenken der Gegebenheiten den Weg für Fortschritt öffnet, werden<br />

in Osteuropa Fehlschläge und Niederlagen ursächlich immer<br />

feindlichen Mächten zugeschrieben.« (TOMOV und V. VOREN, pers.<br />

Mitteilung)<br />

Derzeit sind die Länder Osteuropas sowohl mit den ethischen<br />

als auch mit den ökonomischen Fragen psychiatrischer Reformen

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