"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Sibylle Schreckling<br />
wohl von Hausärztin als auch von der Nervenärztin/Psychiaterin<br />
einen erhöhten Arbeitsaufwand. Die Intention geht von der institutsbezogenen<br />
zur personenzentrierten Versorgung einerseits und vom<br />
rein medizinischen zum sozialwissenschaftlichen (biopsychosozialen)<br />
Krankheitsmodell. Für die Bewältigung dieser Aufgaben bieten sich<br />
Kooperations- und Vernetzungsmodelle zwischen Hausärztin und<br />
Fachärztin an. Wie Sie wissen, gibt es verschiedene Netze, so z.B.<br />
Dienstleistungsnetze, Sozialnetze und die so genannten KV-Modelle,<br />
wobei sie zum <strong>Teil</strong> ganz unterschiedliche Anbieter verbinden. Zur<br />
Verbesserung beitragen können<br />
� gemeinsame Qualitätszirkel,<br />
� gemeinsame Behandlungsleitlinien,<br />
� Fallkonferenzen.<br />
Die Women- bzw. Man-Power ist vorhanden. Heute sind ca. 40.000<br />
Fachärztinnen und -ärzte für Allgemeinmedizin und 20.000 hausärztlich<br />
tätige Internistinnen und Internisten vorhanden sowie 4.500<br />
Nervenärztinnen und Psychiaterinnen bzw. Nervenärzte und Psychiater.<br />
Ferner noch 20.000 ärztliche und psychologische Psychotherapeutinnen<br />
und Psychotherapeuten. Es ist somit eine ausreichend<br />
dichte Versorgungskapazität vorhanden. Es geht also nicht mehr um<br />
Fragen zur Quantität, sondern zur Qualität der Behandlungsangebote.<br />
Eine Studie von Prof. Stark, Hamburg 1992 belegt, dass eine<br />
Überweisung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt umso eher erfolgt,<br />
je besser die Hausärztin und Allgemeinmedizinerin bzw. der Hausarzt<br />
und Allgemeinmediziner im Bereich <strong>Psychiatrie</strong> fortgebildet ist.<br />
Es gilt die Vorteile des jetzigen Gesundheitssystems zu nutzen. Nach<br />
der Einführung des § 37a SGB V ist die Möglichkeit gegeben, die<br />
Komplexleistung zielgerichtet den Patientinnen und Patienten zukommen<br />
zu lassen. Über die Brückenfunktion einer Sozialarbeiterin<br />
oder eines Sozialarbeiters kann der Patient bzw. die Patientin in<br />
ein wohnortnahes Hilfesystem eingegliedert werden. Hierbei sollten<br />
alle an der Behandlung beteiligten Ärztinnen und Ärzte mit einbezogen<br />
werden. In Ansätzen ist das in einigen Regionen, die<br />
Soziotherapie als Modell erprobt haben, auch umgesetzt. So zum<br />
Beispiel im Erfftkreis-Modell (Einzelheiten sind über die Autorin<br />
zu erhalten). Ambulante Rehabilitations-Soziotherapie für psychisch<br />
<strong>Kranke</strong> bietet somit auch die Chance einer hausärztlich-nervenärztlichen<br />
Zusammenarbeit.<br />
Die Rolle der Hausärzte in der psychiatrischen<br />
Versorgung in England<br />
Stefan Priebe und Maria Vidal<br />
Primäre und sekundäre Versorgung<br />
90 91<br />
Großbritannien hat ein staatliches Gesundheitssystem, das NHS<br />
(National Health Service), das von Steuergeldern bezahlt wird und<br />
allen im Lande lebenden Menschen kostenlos zur Verfügung steht.<br />
Das Gesundheitssystem ist unterteilt in primäre, sekundäre und<br />
tertiäre Versorgungseinrichtungen. Die primäre medizinische Versorgung<br />
wird von den Hausärzten und von diesen allein geleistet.<br />
Wer immer ein gesundheitliches Problem hat und ärztliche Hilfe<br />
sucht, geht zu dem Hausarzt, bei dem er registriert ist. Alle Hausärzte,<br />
die so genannten GPs (General Practitioners), sind allgemeinärztlich<br />
ausgebildet. Die Wahl des GPs ist für die Patienten frei, d.h.<br />
man kann seinen GP wechseln, wenn man möchte, aber nicht mehrere<br />
GPs gleichzeitig konsultieren. GPs wiederum sind nicht verpflichtet,<br />
neue Patienten zu registrieren, sondern können das von<br />
ihrer Kapazität abhängig machen. Der GP entscheidet, ob der Patient<br />
an sekundäre Einrichtungen weiter verwiesen wird. Die sekundäre<br />
Versorgung umfasst alle Fachärzte und Einrichtungen, in denen<br />
Fachärzte arbeiten. Im fachärztlichen Bereich gibt es dann noch<br />
spezialisierte Einrichtungen, die sog. tertiäre Versorgung. Auf diese<br />
tertiäre Versorgung und die Beziehungen zwischen Einrichtungen<br />
sekundärer und tertiärer Versorgung wird in diesem Beitrag nicht<br />
weiter eingegangen, weil sie für das Verständnis der Rolle der Hausärzte<br />
von geringer Bedeutung sind. Niedergelassene Fachärzte existieren<br />
somit nicht, und Patienten haben keinen unmittelbaren Zugang<br />
zu fachärztlicher Versorgung. Für jedes gesundheitliche und<br />
damit auch psychiatrische Problem sind die GPs somit erste Anlaufstelle.<br />
In der <strong>Psychiatrie</strong> wird die sekundäre Versorgung von gemeindepsychiatrischen<br />
Teams (community mental health teams) geleistet,<br />
die multiprofessionell zusammengesetzt sind und für ein<br />
definiertes Einzugsgebiet zuständig sind. Zu diesen Teams gehören<br />
auch ein oder mehrere psychiatrische Fachärzte, wobei ein Facharzt<br />
für ein Einzugsgebiet von ca. 30.000 Einwohnern zuständig ist