"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien 1<br />
Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe<br />
Einleitung<br />
Die britische psychiatrische Gesundheitspolitik und Versorgung<br />
werden nicht durch einzelne Verordnungen oder umfassende Reformen<br />
bestimmt, sondern vielmehr durch kontinuierliche Entwicklung<br />
gemeindenaher psychiatrischer Versorgungsdienste, die über ein<br />
halbes Jahrhundert stattfand. Immer neue Maßnahmen der Regierungspolitik<br />
wurden über diese Zeit eingeführt, die manchmal den<br />
Veränderungsprozess vorantrieben und manchmal nur die stattfindende<br />
Entwicklung reflektierten. Allerdings bestehen signifikante Variationen<br />
in der psychiatrischen Versorgung, die die Regierung durch<br />
Entwicklung und Implementierung des National Service Framework<br />
for Mental Health (1) und den NHS Plan (2) zu verringern versucht.<br />
In diesem Artikel werden wir zuerst eine Momentaufnahme des<br />
gegenwärtigen Zustands psychiatrischer Gesundheitsdienste geben,<br />
indem wir die psychiatrische Versorgung einer Versorgungsregion in<br />
London beschreiben, in der die Erstautorin arbeitet. In diesem Zusammenhang<br />
wird dann der gegenwärtige Zustand der psychiatrischen<br />
Gesundheitsversorgung in England diskutiert. Wir werden<br />
einige Stärken des gegenwärtigen psychiatrischen Gesundheitssystems<br />
herausarbeiten und anschließend werden dessen Kernprobleme<br />
beschrieben und kontinuierlich diskutiert. Wir werden einige<br />
der Lösungsvorschläge zu diesen Problemen skizzieren, einschließlich<br />
derer, die im National Service Framework (1) und dem NHS<br />
Plan (2) Erwähnung finden. In diesem Artikel geht es nur um die<br />
psychiatrische Versorgung durch den Nationalen Gesundheitsdienst<br />
(NHS), das private Gesundheitssystem spielt im Bereich psychologischer<br />
Behandlungen, wie psychodynamischer Psychotherapie eine<br />
wichtige Rolle, während seine Bedeutung in der Behandlung psy-<br />
1 Dieser Artikel beruht auf einer Arbeit, die zuerst in »<strong>Psychiatrie</strong> Reform –<br />
The European Perspective and Developments in Germany (<strong>25</strong> Years after<br />
the Enquete)«, Acta Psychiatrica Scandinavica Supplementum No 410,<br />
Volume 104, 2001, veröffentlicht wurde.<br />
Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />
334 335<br />
chisch Schwerkranker geringfügig ist. Wir konzentrieren uns nur auf<br />
England, weil die Länder innerhalb des Vereinigten Königreichs<br />
(UK) über unterschiedliche Gesundheitspolitik und unterschiedliche<br />
Gestaltung und Entwicklung psychiatrischer Dienste verfügen.<br />
Der Umfang unserer Diskussion begrenzt sich auf die fachpsychiatrische<br />
Versorgung Erwachsener, wichtige andere psychiatrische<br />
Bereiche (»sub specialities«) und die psychiatrische Versorgung innerhalb<br />
des primären Gesundheitsdienstes werden ausgelassen.<br />
Unsere Angaben basieren überwiegend auf veröffentlichten Daten,<br />
aber wir beziehen uns auch auf unsere eigenen Erfahrungen in der<br />
Arbeit, Forschung und Debatte über die psychiatrische Versorgung<br />
in England. Die hier geäußerten Einsichten entsprechen unseren<br />
eigenen Meinungen und repräsentieren nicht Institutionen oder<br />
öffentliche Träger.<br />
Kurzer Einblick in die psychiatrische Gesundheitsversorgung<br />
in England: Die Londoner Stadtgemeinde Islington<br />
In diesem Abschnitt werden wir den psychiatrischen Gesundheitsdienst<br />
in Islington beschreiben. Islington ist ein sozioökonomisch<br />
heterogener Bezirk in der Innenstadt Londons, in dem die Extreme<br />
der britischen Gesellschaft stark vertreten sind, mit vornehmen<br />
Enklaven zwischen Gebieten beträchtlicher sozialer Deprivation. Die<br />
Bevölkerungszahl Islingtons beträgt 175 000, an der die ethnischen<br />
Minderheiten etwa 20 % ausmachen. Islington ist in fünf geografisch<br />
annähernd gleich aufgeteilte psychiatrische Versorgungsregionen/<br />
Sektoren unterteilt. Jeder Versorgungsregion ist eine allgemeinpsychiatrische<br />
Station zugeteilt. Um die Zusammenarbeit zwischen primärem<br />
und sekundärem Gesundheitsdienst zu fördern, werden<br />
gegenwärtig Pläne ausgearbeitet, die Sektorisierung nicht strikt nach<br />
geografischer Zuordnung, sondern vielmehr entsprechend Patientenlisten<br />
lokaler Hausärzte zu definieren; eine Versorgungsregion<br />
würde dann eine Gruppe lokaler Allgemeinärzte mit ihren Patienten<br />
umfassen.<br />
Die psychiatrische Sektorversorgung: Betten für stationäre Patienten<br />
Jeder Versorgungssektor hat ein Gemeindezentrum für psychische<br />
Gesundheit (Community Mental Health Centre: CMHT), zu dem