"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Joachim Jungmann<br />
lemfeld eindeutig um eine Überschneidung der Zuständigkeitsbereiche<br />
von Pädagogik, Psychologie und psychiatrischer Medizin.<br />
Eine qualifizierte Behandlung muss von vornherein auf der Basis<br />
einer verbindlich gestalteten fachlichen Kooperation dieser Disziplinen<br />
und ihrer Dienste geleistet werden. Im Vordergrund steht hier<br />
die Entwicklung kooperativer Handlungsformen, bei denen die Voraussetzungen<br />
zum Umgang mit geschlossenen Bedingungen genauso<br />
auf Seiten der Jugendhilfe wie der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
und Psychotherapie zu realisieren sind. Ein solches Vorgehen gilt<br />
auch für Aufnahmeanfragen zur diagnostischen Abklärung z.B. im<br />
Rahmen von Maßnahmen nach §§ 1666 und 1666a BGB oder § 12<br />
JGG.<br />
»Geschlossene Unterbringung« als Chance<br />
Genehmigung und Durchführung einer Unterbringungsmaßnahme<br />
setzen voraus, dass das Ziel, seelische Krankheit zu behandeln oder<br />
deviantes Verhalten zu reduzieren und sozial erwünschte Verhaltensweisen<br />
aufzubauen, durch eine Behandlung bzw. pädagogische Führung<br />
unter geschlossenen Bedingungen prinzipiell erreichbar ist. Für<br />
die Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie heißt das, dass<br />
einengende oder freiheitsentziehende Maßnahmen nur dann gerechtfertigt<br />
sind, wenn sie therapeutische Bemühungen tatsächlich<br />
sichern können. Die stets nur vorübergehende Geschlossenheit des<br />
Behandlungsansatzes kann einen die Therapie begleitenden pflegerisch<br />
bzw. heilpädagogisch gestalteten Rahmen darstellen, der jedoch<br />
in die Kontinuität der Erziehungsverantwortung von Eltern/Sorgeberechtigten<br />
gegenüber dem Kind gebracht werden muss. Deshalb<br />
ist bei solchen Behandlungskonstellationen die enge Kooperation<br />
mit den Sorgeberechtigten des jungen Menschen unabdingbare Voraussetzung.<br />
Sie muss dem betroffenen Kind oder Jugendlichen verdeutlichen,<br />
dass die unter freiheitseinengenden Maßnahmen begonnene<br />
Behandlung in gemeinsamer Verantwortung geschieht. Der<br />
Therapeutin bzw. dem Therapeuten muss ein Handlungsspielraum<br />
überlassen bleiben, in welchem sie selbst das jeweils notwendige<br />
Ausmaß der räumlichen Einengung verantwortet. Ein längerfristiger<br />
vollständiger räumlicher Einschluss erscheint nur selten erforderlich.<br />
Es muss versucht werden, die freiheitsentziehendens bzw.<br />
einengenden Maßnahmen den Notwendigkeiten des fortschreiten-<br />
Wer ist für die geschlossene Unterbringung von Kindern<br />
und Jugendlichen zuständig? Eine Problemfeldbeschreibung<br />
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den therapeutischen Prozesses anzupassen, der auf die Selbstbestimmung<br />
des erkrankten jungen Menschen zielt. Hierüber ist mit der<br />
einweisenden Richterin bzw. dem Richter und den Sorgeberechtigten<br />
selbstverständlich Einvernehmen zu erzielen, was erleichtert wird,<br />
wenn diese in die Reflexion des Behandlungskonzeptes frühzeitig<br />
und dauerhaft einbezogen bleiben.<br />
Die überwiegende Zahl aller Problemsituationen in der Entwicklung<br />
von Kindern und Jugendlichen wird ohne solche eingreifenden<br />
Maßnahmen zu bewältigen sein. Die deutsche Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie/Psychotherapie schließt sich der Einschätzung der<br />
Jugendhilfe an, die im Übrigen auch von der Jugendgerichtsbarkeit<br />
geteilt wird, wonach es »für den statistischen Normalfall« fast immer<br />
effektivere Möglichkeiten als »das Einsperren« gibt, um auf<br />
schwierige Verhaltensprobleme bei jungen Menschen zu reagieren.