"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Themenbereich <strong>II</strong>I:<br />
Kontroverse Perspektiven<br />
Vom Streit um Spezialisierung und Regionalisierung<br />
Wege aus der Blockierung<br />
Michael von Cranach<br />
Einleitung<br />
Wie im Titel deutlich hervorgehoben, streiten wir uns in der <strong>Psychiatrie</strong>.<br />
Dieser Streit hat viele Namen: Spezialisierung versus Regionalisierung,<br />
Abteilung versus Fachkrankenhaus, einstufiges versus<br />
zweistufiges Versorgungssystem, dabei geht es immer um dasselbe<br />
und zwar um die Beantwortung der Frage: Wo soll künftig die stationäre<br />
psychiatrische Behandlung stattfinden? Oder auch in anderen<br />
Worten: Welche Aufgaben haben in Zukunft die mittlerweile sanierten,<br />
verkleinerten und professionalisierten Fachkrankenhäuser?<br />
Diese Frage beschäftigt die <strong>Psychiatrie</strong> schon immer. Doch ich will<br />
mich hier auf die kontroverse Auseinandersetzung mit diesem Thema<br />
seit Veröffentlichung der <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete bis heute beschränken.<br />
In diesen <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n ist der kontroverse Diskurs sehr unterschiedlich<br />
geführt worden, teilweise konstruktiv-kritisch, zeitweise in Form<br />
kränkender, unsachlicher Streitigkeiten. Ich werde in meinem Vortrag<br />
versuchen, der Thematik in Form folgender Gliederung gerecht<br />
zu werden:<br />
� Geschichtliche Entwicklung der Auseinandersetzung<br />
� Die Kontroverse: fachliche Argumente<br />
� Wer trifft (wann und wie?) gesundheitspolitische Entscheidungen<br />
in der Bundesrepublik<br />
� Wege aus der Blockierung<br />
Bevor ich aber auf diese Punkte eingehe, muss ich eine wichtige Vorbemerkung<br />
machen. Die Auseinandersetzung geht quer durch uns.<br />
Vom Streit um Spezialisierung und Regionalisierung<br />
14 15<br />
Zwischenzeitlich gibt es 160 psychiatrische Abteilungen an allgemeinen<br />
<strong>Kranke</strong>nhäusern, die fast die Hälfte aller stationär-psychiatrischen<br />
Behandlungen durchführen, auf der anderen Seite sind noch<br />
alle Fachkrankenhäuser, bis auf Merzig, in Betrieb – modernisiert,<br />
verkleinert, professionalisiert, voll funktionsfähig. Keiner von uns,<br />
der in einem dieser beiden Settings arbeitet, hat sich aus dieser<br />
Kontroverse herausgehalten und kann daher objektiv mit der nötigen<br />
Distanz die Argumente abwägen. Deshalb erscheint es mir wichtig,<br />
dass ich auch von vornherein meine eigene Position darlege,<br />
damit Sie das von mir Gesagte entsprechend gewichten und abwägen.<br />
Ich bin seit 20 <strong>Jahre</strong>n Leiter eines wie eben beschrieben, modernisierten<br />
Fachkrankenhauses. Dabei sind aber im Einzugsgebiet<br />
des <strong>Kranke</strong>nhauses regionale vollversorgende Abteilungen entstanden,<br />
eine davon habe ich 2 <strong>Jahre</strong> lang mitgeleitet. Diese Erfahrung<br />
hat meine nun folgende Argumentation wesentlich beeinflusst und<br />
ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass langfristig die stationäre<br />
psychiatrische Versorgung einstufig am allgemeinen <strong>Kranke</strong>nhaus<br />
als eine Abteilung unter anderen stattfinden wird. Ich hoffe,<br />
dass jetzt nicht die Hälfte von Ihnen die Antennen einzieht.<br />
Geschichtliche Entwicklung der Kontroverse<br />
Nun zur Kontroverse selbst: Der 1975 erschienene Enquete-Bericht<br />
zur Lage der <strong>Psychiatrie</strong> äußert sich zu diesem Thema auffällig ambivalent<br />
und ungenau. »Die Sachverständigenkommission empfiehlt,<br />
psychiatrische Abteilungen an allgemeinen <strong>Kranke</strong>nhäusern zu errichten,<br />
wo immer dies möglich ist. (...) Als Richtgröße empfiehlt<br />
die Sachverständigenkommission rund 200 Betten.« (S. 216) »Es ist<br />
klar, daß die bestehenden psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäuser in öffentlicher<br />
oder freier Trägerschaft bei realistische Beurteilung auch weiterhin<br />
einen wesentlichen <strong>Teil</strong> der stationären Versorgungsleistung<br />
zu erbringen haben werden. Mit der zunehmenden Verlagerung stationärer<br />
psychiatrischer Versorgung in Gemeindenähe und an das<br />
allgemeine <strong>Kranke</strong>nhaus wird ferner zu prüfen sein, ob besonders<br />
ungünstig gelegene und strukturierte psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhäuser<br />
unter der Voraussetzung, daß der Bedarf anderweitig voll abgedeckt<br />
ist (....) aus der Standardversorgung herausgenommen werden<br />
können.« (S. 217) Der Hintergrund dieser im Vergleich mit<br />
anderen Empfehlungen der Expertenkommission vagen Aussage