"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Toma Tomov <strong>Psychiatrie</strong>-Reform in Osteuropa<br />
im Bereich des Gesundheitswesens fielen in den Bereich der Staatsministerien.<br />
Dies hatte vielerlei Konsequenzen, zum Beispiel hinsichtlich<br />
der Personalzusammensetzung der psychiatrischen Dienste.<br />
In Osteuropa gab es bezogen auf den Ärzteschlüssel nur relativ wenig<br />
Pflegepersonal. Trotz der großen sozialen Schwierigkeiten in diesen<br />
Regionen hat sich dieser Schlüssel bisher kaum verändert. Ferner<br />
herrschte eine Notversorgung bezüglich der Dichte von Psychologinnen/Psychologen<br />
Psychotherapeutinnen/-therapeuten, Sozialarbeiterinnen/-arbeitern<br />
und Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern<br />
auf dem Gebiet psychischer Gesundheit. Vielerorts hat sich diese<br />
Situation bis heute nicht verändert. Dies hatte zum Ergebnis, dass<br />
den psychiatrischen Diensten lediglich die medikamentöse Behandlung<br />
psychischer Krankheiten zustand, alle weiteren Behandlungselemente<br />
wurden ausgeblendet. Hieraus wiederum folgte, dass andere<br />
Formen psychiatrischer Hilfen und Einrichtungen kaum eine<br />
Rolle spielten und nicht-medizinisches Personal nicht einbezogen<br />
wurden. Der Zentralismus des kommunistischen Systems ließ jedoch<br />
keinerlei offene Kritik an den bestehenden Zuständen zu. So<br />
konnten wesentliche Entwicklungen, wie beispielsweise die <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete,<br />
welche in den 70-<strong>Jahre</strong>n in Deutschland durchgeführt<br />
wurde und einen Meilenstein psychiatrischer Reformen darstellt,<br />
kaum stattfinden.<br />
Die oben genannten Beispiele zeigen deutlich, dass totalitäre<br />
Systeme nicht bereit und auch nicht in der Lage sind, sich den<br />
Herausforderungen gesellschaftlicher Fragen zu stellen. Veränderungen<br />
innerhalb dieser Systeme lassen sich meistens nicht als ruhigen<br />
Prozess, sondern eher als krisenhafte Übergänge begreifen. Die<br />
Beschreibung der sozialpolitischen Zusammenhänge in den osteuropäischen<br />
Ländern seit 1989 erscheint wesentlich, um das inselförmige<br />
Vorhandensein psychiatrischer Reformen innerhalb dieser<br />
Region zu erklären.<br />
In den Ländern Osteuropas scheint es unrealistisch, innerhalb<br />
der nächsten <strong>Jahre</strong> große Veränderungen der psychiatrischen Versorgungslandschaft<br />
zu erwarten. Die Regierungen und Verwaltungen<br />
dieser Länder sind es nicht gewohnt, gesundheitspolitische Entscheidungen<br />
anhand von wissenschaftlichen Ergebnissen und<br />
Studien abzuleiten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Gesundheitsministerien<br />
einige Schlagwörter westlicher Reformideen aufgreifen<br />
werden, um diese in ihre Berichte bezüglich der psychiatri-<br />
298 299<br />
schen Gesundheitssituation der jeweiligen Länder einfließen zu lassen.<br />
Die erlassenen Berichte werden dann zwar besser klingen, der<br />
Informationsgehalt derselben wird jedoch nicht steigen, da die jährlich<br />
erhobenen statistischen Daten nicht anhand von unabhängigen<br />
Daten geprüft werden. Es werden noch einige <strong>Jahre</strong> vergehen, in<br />
denen keinerlei Forschungsdaten von psychiatrischen Diensten aus<br />
diesem <strong>Teil</strong> Europas kommen werden.<br />
Die Einführung und Etablierung psychiatrischer Reformen<br />
werden innerhalb der nächsten <strong>Jahre</strong> in Osteuropa einen Schwerpunkt<br />
bilden. Die Gesundheitsadministration in dieser Region wird<br />
darauf drängen, <strong>Teil</strong>e westlicher Reformideen aufzugreifen, auch um<br />
Kritik von sozialpolitischen Gegnerinnen und Gegnern abzuwehren<br />
und somit auch die eigene Machtposition zu stärken. In Zukunft<br />
wird es für das Gesundheitswesen notwendig sein, öffentlich Kund<br />
zu tun, den Zeitgeist erkannt zu haben, um somit auch in den Genuss<br />
finanzieller Förderungsmittel zu kommen, welche für neue Projekte<br />
und gesundheitspolitische Reformen ausgegeben werden können.<br />
Jedoch ergibt sich dann die Frage, ob sich in Osteuropa echte und<br />
grundlegende Veränderungen des psychiatrischen Gesundheitssystems<br />
vollziehen werden. Dies erscheint zweifelhaft, da sich die Gesundheitsministerien<br />
mit den Ansprüchen und Bedürfnissen der<br />
Zivilbevölkerung nicht auskennen und sich somit auch nicht als<br />
Motor der Reformbewegung begreifen. Wo lassen sich Anzeichen<br />
wirklicher Veränderungsbemühen feststellen?<br />
Psychiatrische Gesundheitsreformen in Osteuropa:<br />
Ergebnisse einer sechs-zentrigen Studie<br />
Die ANAP-Studie (Attitudes and Needs Assessment in Psychiatry)<br />
entstand nach jahrelangen Diskussionen zwischen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern des psychiatrischen Gesundheitswesens und Betroffenen<br />
unterschiedlicher osteuropäischer Staaten. Diese Diskussionsrunde<br />
war ursprünglich auf Bemühungen der Geneva Initiative<br />
on Psychiatry (GIP) 1991 in Bratislava zusammengetreten. Die<br />
Geneva Initiative on Psychiatry, welche ihren Hauptsitz in Amsterdam<br />
hat, bemüht sich um psychiatrische Reformen in Osteuropa.<br />
Hierbei überließ es GIP den jeweiligen <strong>Teil</strong>nehmerinnen und <strong>Teil</strong>nehmern<br />
dieses runden Tisches, eigenverantwortlich mitzuwirken.<br />
Alle <strong>Teil</strong>nehmerinnen und <strong>Teil</strong>nehmer blieben in engem Kontakt,