"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />
Wohneinrichtungen für psychisch <strong>Kranke</strong><br />
In der Stadtgemeinde Islington werden eine Reihe von spezialisierten<br />
Wohneinrichtungen für Menschen mit psychiatrischen Gesundheitsproblemen<br />
angeboten, von denen viele von dem freiwilligen<br />
(karitativen) Sektor verwaltet werden. Die Angebote reichen von<br />
Wohnheimen mit rund um die Uhr Betreuung bis hin zu Betreutem<br />
Wohnen, wo ein Mitarbeiter die Mieter einmal in der Woche besucht/überwacht<br />
und ihnen praktische Hilfe anbieten. Jedoch sind<br />
viele der Wohneinrichtungen voll. Das Vorhaben, den geeigneten<br />
Wohnraum für Patienten zu finden, ist oft von beträchtlichen Verzögerungen<br />
und Schwierigkeiten begleitet. Besonders schwierig ist<br />
es für psychisch <strong>Kranke</strong> mit Drogenproblemen. Bei der Planung<br />
neuer Wohneinrichtungen wird der Schwerpunkt auf die Erweiterung<br />
von betreuten Mietwohnungen gelegt, in denen Patienten in<br />
der Nähe vom Gemeindezentrum (CMHT »office«) unabhängig leben<br />
können. Tägliche Besuche vom Team können bei einigen der<br />
Patienten vorgenommen werden; diese können jedoch nach ausreichender<br />
Stabilisierung ihrer psychischen Verfassung vom Team entlassen<br />
werden, aber dennoch ihre Wohnung behalten. Diese Form<br />
von Wohnung wird gegenwärtig von jungen Patienten, die keine<br />
Langzeitinstitutionalisierung erfahren haben, bevorzugt. Diese Patienten<br />
lehnen es in der Regel ab, in die traditionellen Wohnheime<br />
zu ziehen, wo sie sich in ihrer persönlichen Unabhängigkeit und Intimsphäre<br />
bis zu einem inakzeptablen Grad beschnitten fühlen.<br />
Dieses Wohnprogramm verleiht den Patienten ein langfristiges Zuhause,<br />
das sie auch nach der Abnahme ihrer Versorgungsbedürfnisse<br />
behalten können.<br />
Andere psychiatrische Gesundheitsdienste<br />
Islington verfügt über sieben psychiatrische Tageszentren, in denen<br />
soziale Kontakte, professionelle Hilfe, kreative Beschäftigung und<br />
Freizeitgestaltung sowie supportive Gruppen unterschiedlichster<br />
Arten in einem informellen Setting angeboten werden. Einige haben<br />
auch ein bescheidenes Angebot an Arbeitstraining oder Praktikumsangebote,<br />
obwohl die Verfügbarkeit von Trainingsplätzen,<br />
beschützten Praktikums- und Arbeitsplätzen sehr eingeschränkt ist.<br />
Die Mehrheit der Nutzer dieser Zentren sind <strong>Psychiatrie</strong> erfahren.<br />
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Eines der Tageszentren kümmert sich speziell um schwarze Patienten<br />
aus den Karibischen Inseln und Afrika, ein anderes bietet Programme<br />
für psychotherapeutisch orientierte Gruppen an. Patienten<br />
können die Tageszentren langfristig nutzen. Die Tagesklinik ist<br />
in der Nähe der Akutaufnahmestationen untergebracht: Sie verfügt<br />
zwar nicht über Akutbehandlungsangebote, bietet aber längerfristige<br />
Betreuung einschließlich Psycho- und Ergotherapie an.<br />
Gegenwärtige Psychiatrische Gesundheitsversorgung in England<br />
Es gibt einige wesentliche Aspekte des Islingtoner Modells, die als<br />
repräsentativ für die psychiatrische Versorgung in England und Wales<br />
angesehen werden können. Bettenzahlen sind seit dem Höchststand<br />
im <strong>Jahre</strong> 1954, in dem 152.000 belegte psychiatrische Betten registriert<br />
waren, stets zurückgegangen. Die Schließung großer psychiatrischer<br />
<strong>Kranke</strong>nhäuser gehörte seit Anfang der 60-er <strong>Jahre</strong> zur<br />
Regierungsgesundheitspolitik. Obwohl die Verwirklichung dieser<br />
Politik eher langsamer vonstatten ging als zunächst geplant (3), sind<br />
inzwischen die meisten großen psychiatrischen Kliniken geschlossen<br />
worden oder behalten nur noch einen Bruchteil ihrer ehemaligen<br />
Patientenzahl bei. Während über mehrere Aspekte der <strong>Psychiatrie</strong><br />
hitzige Debatten geführt werden, besteht zwischen psychiatrischem<br />
Fachpersonal und Managern eine große Übereinstimmung darüber,<br />
dass die meisten psychiatrischen Langzeitbetten außerhalb forensischer<br />
Einrichtungen durch gemeindenahe Optionen ersetzt werden<br />
können. Dies wird durch eine große prospektive »Outcome«-Studie<br />
(TAPS Studie) über 670 aus einem Londoner PKH entlassene Langzeitpatienten<br />
unterstützt (6). Obwohl eine kleine Minderheit enorme<br />
Schwierigkeiten hatte, sich erfolgreich in die Gemeinde wiedereinzugliedern,<br />
erwiesen sich die Reintegrationsbemühungen der<br />
meisten Patienten trotz geringfügiger Probleme im Bereich der Kriminalität<br />
oder Landstreicherei als erfolgreich. Positive Veränderungen<br />
waren im Hinblick auf die Lebensqualität und Bildung eines<br />
sozialen Netzwerks nach der Entlassung beobachtet worden, und<br />
die Patienten wollten im allgemeinen in ihrem neuen Zuhause in<br />
der Gemeinde bleiben.<br />
Die meisten <strong>Psychiatrie</strong>betten sind jetzt akutpsychiatrische oder<br />
forensische Betten. Die Bettenbelegungsrate in Islington ist typisch<br />
für Orte mit hoher sozialer Armut, wo Akutbettennutzung, gesetz-