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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Die psychiatrische Klinik: Von bettenzentrierten<br />

Stationen zu flexiblen personenzentrierten<br />

Behandlungsprozessen<br />

Heinrich Kunze<br />

Ziel von Klinikbehandlung ist es nicht nur, Krankheitssymptome zu<br />

bessern oder zu heilen, sondern auch: »Patienten befähigen, außerhalb<br />

stationärer Einrichtungen ihr Leben weitgehend selbst zu gestalten,<br />

sie also wieder in die Gesellschaft einzugliedern« (BMA Pressemitteilung<br />

zur Psych-PV, April 1990). Es geht also auch um<br />

Krankheitsbewältigung, die Einbeziehung der Ressourcen der Patientinnen<br />

und Patienten und ihres Lebensumfeldes und darum, die<br />

primär-medizinischen, rehabilitativen, sozialen und Pflegehilfen zu<br />

nutzen. Die Psychopathologie muss in der Interaktion mit der Umgebung<br />

und in der Relevanz im Lebensfeld gesehen werden. Psychosoziale<br />

Anteile der Behandlung sind sehr stark kontextabhängig,<br />

sie können deshalb nur sehr schwierig vom therapeutischen Setting<br />

ins reale Leben übertragen werden. Die Problemdefinition und die<br />

Behandlungsziele sollen i.d.R. aus der ambulanten Sicht und nicht<br />

nur von der Stationssicht aus formuliert werden. Deshalb muss Behandlung<br />

dort stattfinden bzw. von dort aus erreichbar sein, wo ihre<br />

Ergebnisse langfristig genutzt werden sollen und mit den Bezugspersonen,<br />

die sie langfristig nutzen wollen: Kontinuität statt Fragmentierung,<br />

Integration statt Institutionalisierung. Dem stehen bisher<br />

entgegen:<br />

1. Zu viel stationär und zu wenig tagesklinisch und ambulant.<br />

2. Übergänge zwischen den Stufen sind unflexibel und führen<br />

häufig zum Abbruch der therapeutischen Beziehungen zur Patientin<br />

oder zum Patienten, aber auch zu Angehörigen und den<br />

vor- und nachbehandelnden Ärztinnen und Ärzten, Diensten<br />

und Einrichtungen.<br />

Zu wenig genutzt wird bisher, dass inzwischen die psychiatrische<br />

<strong>Kranke</strong>nhausbehandlung viel mehr als früher wohnortnah stattfindet<br />

und dass psychiatrische Kliniken (jetzt auch Abteilungen regelhaft)<br />

über Institutsambulanzen verfügen. Daraus folgt:<br />

a) So viel tagesklinisch und ambulant wie möglich, so wenig stationär<br />

wie nötig.<br />

70 71<br />

b) Die institutionszentrierte Organisation der Klinik patientinnenzentriert<br />

verändern: Die bettenzentrierten Einheiten (»nicht<br />

Betten führende Einheiten« sind Tagesklinik und Ambulanz) in<br />

patientinnenzentrierte Einheiten ändern, die nach dem individuellen<br />

Bedarf flexibel stationär, teilstationär und ambulant<br />

behandeln.<br />

Dies hat Vorteile:<br />

Von bettenzentrierten Stationen zu flexiblen<br />

personenzentrierten Behandlungsprozessen<br />

� Die Intensität kann (fast) als Kontinuum »dosiert« werden.<br />

� Die Übergänge werden niederschwellig ohne Beziehungsabbrüche<br />

für Patientinnen und Patienten sowie Angehörige, auch<br />

im Verhältnis zu beteiligten Profis außerhalb der Klinik vor und<br />

nach der <strong>Kranke</strong>nhausphase.<br />

� »Mehr teilstationär und ambulant« bezieht das Lebensfeld stärker<br />

in die Behandlung ein und verbessert damit den Transfer:<br />

Problemdefinition und Therapiezielbestimmung geht von der<br />

Relevanz für Patientinnen und Patienten in ihrem Lebensfeld<br />

aus. Die Realisierung der Therapie-Ergebnisse im privaten und<br />

beruflichen Lebensfeld findet während der Behandlung statt und<br />

wird nicht als Aufgabe der Patientin nach der Entlassung mitgegeben.<br />

In diesem Sinne haben wir und andere die Klinikbehandlung flexibilisiert,<br />

statt die Verkürzung der stationären Verweildauer als Selbstzweck<br />

zu maximieren. Dabei wurde teilstationäre Behandlung differenziert<br />

in akuttagesklinische Behandlung sowie in rehabilitativ<br />

orientierte tagesklinische Behandlung gemäß der Ebene 6 Psych-<br />

PV. Weiterhin wurden Urlaube ausgedehnt angewendet und therapeutisch<br />

zu Übungen genutzt: Intermittierende Klinikbehandlung.<br />

Die <strong>Kranke</strong>nkassen haben für eine Modellphase eine Regelung mit<br />

uns vereinbart, die uns das stationäre Budget belässt, wenn wir über<br />

den bisherigen Anteil tagesklinischer Plätze hinaus stationäre durch<br />

tagesklinische Behandlung ersetzen. Andere Pilotmodelle:<br />

� Ambulante multiprofessionelle <strong>Kranke</strong>nhausbehandlung zu<br />

Hause – Im Prinzip wie vollstationär, aber ohne ein Bett in der<br />

Klinik, sie arbeitet aufsuchend (Alexianer Krefeld; Bamberger<br />

Hof Frankfurt).<br />

� Mulitprofessionelle Liaison-<strong>Psychiatrie</strong> – Multiprofessionelle<br />

psychiatrische Behandlung kommt zu den Patientinnen und Pa-

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