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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Peter Kruckenberg<br />

kann. Für den Hilfebedarf im Rahmen eines Komplexleistungsprogramms<br />

spielt die psychiatrische Diagnose (z.B. nach ICD 10)<br />

zwar eine gewisse Rolle, aber oft nicht die entscheidende, in dem<br />

komplexen Gefüge von individuellen biologisch und biografisch<br />

begründeten Ressourcen und Beeinträchtigungen und der engen<br />

Verknüpfung mit unterstützenden und belastenden Momenten in<br />

der Lebenswelt. Die Ermittlung des Hilfebedarfs ist in der Regel<br />

kompliziert und erfordert einen umfassenden zeitaufwändigen diagnostischen<br />

Prozess. Die Umsetzung muss ständig überprüft und<br />

ggf. dem Verlauf angepasst werden.<br />

Wir haben in von der AKTION PSYCHISCH KRANKE durchgeführten<br />

Forschungs- und Beratungsprojekten die Qualitätskriterien<br />

für personenzentrierte Komplexleistungsprogramme der Behandlung<br />

und Rehabilitation schwer und chronisch psychisch kranker<br />

Menschen wiederholt beschrieben (s. Abb. 2).<br />

1. Ressourcenorientiert<br />

2. Niedrigschwellig<br />

3. Zielorientiert<br />

4. Vorrangig ambulant und ortsnah<br />

5. Zeitgerecht<br />

6. Berufsübergreifend abgestimmt<br />

7. Kontinuierlich begleitet und koordiniert<br />

8. Effizient<br />

Abb. 2: Qualitätskriterien für personenzentrierte Komplexleistungsprogramme<br />

Es handelt sich um Prozesskriterien, die sämtlich für die Ergebnisqualität<br />

außerordentlich wichtig sind: Ressourcenorientierung<br />

bedeutet die vorrangige Ausrichtung auf die gegebenen Lösungsbemühungen<br />

und Kompetenzen der Klientinnen und Klienten selbst<br />

und der ihres Umfelds, aber auch die konsequente Subsidiarität<br />

psychiatrischer und psychotherapeutischer Hilfen gegenüber Selbsthilfe<br />

und gegenüber allgemeinen sozialen und medizinischen professionellen<br />

Hilfen. Niedrigschwelligkeit soll nicht nur heißen, auf<br />

vielfältige Weise den Zugang zum Hilfesystem zu erleichtern, sondern<br />

wo immer notwendig auch ihn in seinem Lebensfeld aufzusuchen.<br />

Die Hilfeleistungen sollen so weit irgend möglich an den<br />

Angebotsorientierte Marktwirtschaft oder bedarfsorientierte Steuerung<br />

bei der Erbringung personenzentrierter Komplexleistungsprogramme<br />

224 2<strong>25</strong><br />

Wünschen und Bedürfnissen der Klientinnen und Klienten orientiert<br />

sein, sich immer aber an klar formulierten Zielen orientieren.<br />

Die Vorrangigkeit ambulanter im Lebensfeld des Betroffenen oder<br />

zumindest ortsnah erbrachter Hilfen wird immer wieder betont, ist<br />

aber in kaum einem Bereich bisher umgesetzt. Zeitgerecht heißt, dass<br />

Krisenintervention wenn nötig sofort erfolgen muss, aber auch, dass<br />

es bei längerfristiger Behandlung, Rehabilitation und Eingliederung<br />

keine erschwerenden Wartezeiten geben darf, schließlich, dass die<br />

Dauer einer Maßnahme dem fachlich Gebotenen entsprechen muss.<br />

Alle Maßnahmen sind immer zuerst mit dem Klientinnen und<br />

Klienten, so weit möglich auch mit dem sozialen Umfeld, insbesondere<br />

den Angehörigen und untere den Professionellen berufsübergreifend<br />

aber auch einrichtungsübergreifend abzustimmen sowohl<br />

synchron wie diachron. Ein Komplexleistungsprogramm muss durch<br />

eine therapeutische Bezugsperson kontinuierlich begleitet und koordiniert<br />

werden. Effiziente Leistungserbringung bedeutet, dass der<br />

Behandlungs- und Rehabilitationsprozess auf hohem Niveau wirksam<br />

und optimal wirtschaftlich erfolgt. Es ist aber unmittelbar ersichtlich,<br />

dass auf jeweils einzelne Personen differenziert ausgerichtete und im<br />

Verlauf angepasste Komplexleistungsprogramme nicht durch ein mehr oder<br />

weniger zufällig historisch gewachsenes Ensemble von Diensten und Einrichtungen<br />

koordiniert erbracht werden können. Das Hilfesystem selbst<br />

muss sich entsprechend dem Hilfebedarf in geeigneter Weise organisieren<br />

und differenzieren (s. Abb. 3).<br />

Integriertes<br />

personenzentriertes<br />

psychiatrisches Hilfesystem<br />

der Region<br />

Angebotsorientierte psychiatrische<br />

und psychotherapeutische Dienste<br />

und Einrichtungen<br />

Allgemeine medizinische und<br />

soziale Dienste und Einrichtungen,<br />

Selbsthilfeinitiativen<br />

Abb. 3: Gestuftes Hilfesystem für psychisch kranke Menschen in einer<br />

Versorgungsregion (ca. 100.000–150.000 Einwohnerinnen/<br />

Einwohner)

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