"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />
bestimmte Anzahl von Betten auf einer psychiatrischen Akutstation<br />
gehören. Die Akutstationen für alle psychiatrischen Versorgungsregionen<br />
in Islington befinden sich in einer Baueinheit, die vor 30<br />
<strong>Jahre</strong>n nahe dem örtlichen Allgemeinkrankenhaus gebaut wurde. Die<br />
Verwaltung des lokalen psychiatrischen Gesundheitsdienstes ist<br />
größtenteils getrennt von dem Allgemeinkrankenhaus. Das ehemals<br />
dem Gebiet dienende große psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhaus schloss im<br />
<strong>Jahre</strong> 1993. Die Nachfrage für Akutaufnahmebetten übertrifft seitdem<br />
bei weitem das Angebot, demzufolge muss der Nationale Gesundheitsdienst<br />
(National Health Service: NHS) für einige lokale<br />
Patienten Akutbetten in Privatklinken finanzieren und so gibt es<br />
beträchtlichen Druck, auf der einen Seite Aufnahmen von Patienten<br />
zu vermeiden und auf der anderen Seite Patienten früh zu entlassen.<br />
An einem Stichtag im März 2001 waren 72 Akutbetten durch<br />
die Einwohner Islingtons im Alter von 18 bis 65 <strong>Jahre</strong>n belegt. Zwei<br />
kleine Stationen im örtlichen <strong>Kranke</strong>nhaus dienen als Akutaufnahmestationen<br />
(intensive »care units«), die über intensivere Personalausstattung<br />
verfügen und Patienten mit besonders schwerer<br />
psychiatrischer Erkrankung behandeln. An dem besagten Erhebungstag<br />
waren 6 Patienten aus Islington auf dieser Station. Dies<br />
ergab insgesamt eine Akutaufnahmequote von 41 pro 100.000 Bevölkerung.<br />
Ca. 50 % dieser Patienten waren nach dem UK <strong>Psychiatrie</strong>gesetz<br />
(UK Mental Health Act) im <strong>Kranke</strong>nhaus untergebracht<br />
worden, und mehr als die Hälfte hatten die Diagnose<br />
irgendeiner Form von psychotischen Störungen (3). Im Zeitraum<br />
von einem Jahr zwischen 1998 und 1999 fanden in Islington und<br />
Nachbarbezirk Camden-Versorgungsgebiet des Camden and Islington<br />
Community Health Services NHS Trust mit einer Bevölkerungszahl<br />
von ca. 272.000–1.115 Unterbringungen nach dem UK<br />
<strong>Psychiatrie</strong>gesetz (4) statt.<br />
Die Einwohner von Islington haben auch Zugang zu zwei innovativen<br />
Krisenhäusern. Diese sind Einrichtungen, die nicht dem<br />
<strong>Kranke</strong>nhaus angehören. Sie sind rundum mit Fachpersonal ausgestattet<br />
und daher in der Lage, Patienten in Krisensituationen aufzunehmen.<br />
Eines der beiden Häuser ist nur für Frauen vorgesehen,<br />
es wird vom lokalen Mental Health Trust finanziert. Dieses ist ein<br />
großes Haus aus dem 19. Jahrhundert, das in einem Wohnviertel<br />
gelegen ist. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, bis zu zwölf Patientinnen<br />
für ein Maximum von vier Wochen aufzunehmen, die anderen-<br />
336 337<br />
falls <strong>Kranke</strong>nhausbehandlung benötigt hätten. Die meisten Frauen,<br />
die von dieser Einrichtung Gebrauch machen, scheinen von dieser<br />
Einrichtung zu profitieren.<br />
Islington hat jetzt keine Langzeitstationen mehr, obwohl zwei<br />
kleine Stationen mit Rehastationsbetten existieren, die von den Einwohnern<br />
Islingtons und der Nachbarstadtgemeinde Camden zwecks<br />
längerer Behandlung genützt werden. Die meisten Patienten auf den<br />
Akutaufnahmestationen können innerhalb weniger Wochen entlassen<br />
werden, nur eine Hand voll bleibt für mehrere Monate auf den<br />
Stationen, hauptsächlich mangels adäquater Wohneinrichtungen.<br />
Die »neuen Langzeitpatienten« von den Akutstationen in geeignete<br />
Nachsorge zu führen, stellt sehr oft ein ernsthaftes Problem für die<br />
Kliniker und Manager dar. Ein neues multidisziplinäres Wohnversorgungs-Team<br />
(»multidisciplinary accommodation team«) bestehend<br />
aus <strong>Kranke</strong>npflegepersonal, Sozialarbeitern und einem Psychologen<br />
wurde neulich gegründet, um gründliche Untersuchung<br />
durchzuführen und adäquaten Wohnraum zu finden.<br />
Gemeindepsychiatrische Teams (Community Mental Health Teams, CMHT)<br />
Jedem der fünf Versorgungsgebiete in Islington ist ein CMHT zugeordnet,<br />
das für Gemeinde- und Ambulanzbetreuung psychisch<br />
<strong>Kranke</strong>r innerhalb geografisch definierter Grenzen zuständig ist. Das<br />
Team mit dem die erste Autorin arbeitet, ist beispielsweise für ein<br />
Gebiet mit einer Bevölkerungszahl von 38.000 zuständig. Das Team<br />
arbeitet von dem Gemeindegesundheitszentrum aus, das sich in etwa<br />
der Mitte des Versorgungsgebiets in einem leicht vernachlässigten<br />
lokalen öffentlichen Gebäude befindet. Es verfügt über einen Büroraum,<br />
einen Sitzungsraum und wenige kleine Interviewräume. Es<br />
wird auch vom Sozialen Dienst für ältere Menschen und Geistesbehinderte<br />
genützt. Die psychiatrischen Fachkrankenpflegerinnen/<br />
-pfleger aus der Gemeinde, Sozialarbeiterinnen/-arbeiter und ein<br />
Psychiater zogen aus ihren separaten Wirkungsstätten im <strong>Jahre</strong> 1998<br />
gemeinsam in dieses Quartier ein und begannen enger und integrierter<br />
zusammenzuarbeiten. Das Team wird von einer psychiatrischen<br />
Fachkrankenpflegerin geleitet. Das 16-köpfige Team umfasst eine<br />
Ergotherapeutin, einen halbtags beschäftigten klinischen Psychologen,<br />
einen Facharzt für <strong>Psychiatrie</strong> und zwei <strong>Teil</strong>zeitassistenzärzte.<br />
Etwa die Hälfte der übrigen Teammitglieder sind psychiatrische