"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Klaus Nißle<br />
5. Poliklinik, Tagesklinik und eine »kleine stationäre Assessment-<br />
Unit« werden als notwendige Bausteine eines gerontopsychiatrischen<br />
Verbundes angesehen und sollen im Sinne eines Gerontopsychiatrischen<br />
Zentrums zusammengefasst und an eine<br />
stationäre gerontopsychiatrische Einrichtung angebunden werden.<br />
6. Die Größe der für die Allgemeinpsychiatrie vorgesehenen Standardversorgungsgebiete<br />
mit durchschnittlich <strong>25</strong>0.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohnern wird auch für die Belange der Gerontopsychiatrie<br />
als zweckmäßig angesehen.<br />
7. Für ein solches Standardversorgungsgebiet wurden Richtwerte<br />
für den Bedarf von Behandlungsplätzen vorgeschlagen.<br />
Besonderes Augenmerk wurde in der <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete auch der<br />
Versorgung psychisch kranker älterer Menschen in Altenpflege- und<br />
Altenkrankenheimen gewidmet. Hierzu hieß es, Behandlung und<br />
Pflege müssten ärztlich indiziert und überwacht sein. Regelmäßige<br />
ärztliche Visiten seien unerlässlich, eine Ärztin bzw. ein Arzt müsse<br />
jederzeit abrufbereit sein. Die konsiliarische Beteiligung von Fachärztinnen<br />
und -ärzten müsse gewährleistet sein, für Behandlung,<br />
Pflege und Rehabilitation müsse ausreichend qualifiziertes Personal<br />
zur Verfügung stehen. Außer einer ausreichenden apparativen<br />
und räumlichen Ausstattung für Diagnostik und Therapie seien<br />
Rehabilitationseinrichtungen erforderlich, insbesondere auch Bewegungstherapie<br />
und Ergotherapie. Im Zentrum der Überlegungen der<br />
»Arbeitsgruppe Alterspsychiatrie« der Enquete stand also damals<br />
noch die so genannte Assessment-Unit nach englischem Beispiel.<br />
Diese kleine stationäre Einrichtung wurde unter einer dreifältigen<br />
Funktion gesehen. Auf der Basis multiprofessioneller Diagnostik und<br />
Intensivtherapie bei akuten Krankheitsfällen sollten hier die Entscheidungen<br />
darüber getroffen werden, welche Dienste und Einrichtungen<br />
im Standardversorgungsgebiet den Bedürfnissen der betreffenden<br />
Patientinnen und Patienten am ehesten gerecht werden. Von<br />
hier aus sollte die Koordination notwendiger Hilfen initiiert werden.<br />
»Zu diesem Zwecke müssen Arbeitsgemeinschaften in den Standardversorgungsgebieten<br />
aus Vertretern der beteiligten Einrichtungen<br />
und der Träger gebildet werden, die bindende Vereinbarungen auf<br />
freiwilliger Basis miteinander treffen. (DTSCH. BUNDESTAG 1975,<br />
S. <strong>25</strong>6) Es wurde hier also erstmals konkret daran gedacht, die Ein-<br />
Verzahnung ärztlicher und pflegerischer Versorgung<br />
von gerontopsychiatrisch Erkrankten<br />
134 135<br />
richtungen der Altenpflege als einen wesentlichen Bestandteil des<br />
gerontopsychiatrischen Versorgungssystems in die Verantwortung mit<br />
einzubinden.<br />
Zur Durchführung der Empfehlungen der Expertengruppe wurden<br />
im Juni 1980 durch die Prognos AG fünf ländliche und drei<br />
städtische Modellregionen ausgewählt und im Verlauf untersucht.<br />
Auf der Basis der Ergebnisse des Modellprogramms erarbeitete eine<br />
hierzu berufene Expertenkommission die Empfehlungen zur psychiatrischen<br />
und psychotherapeutischen Versorgung der BRD, die im<br />
November 1988 an das zuständige Ministerium übergeben wurden.<br />
Es blieb festzuhalten, dass die Versorgungssituation für psychisch<br />
kranke ältere Menschen generell, vor allem aber im Langzeit- und<br />
Heimbereich nahezu nicht beeinflusst worden und die Situation<br />
durch zahlreiche Mängel gekennzeichnet war, die in vielen Fällen<br />
als persönlich entwürdigend bezeichnet wurden. In den Richtlinien<br />
für eine künftige gerontopsychiatrische Versorgungsstruktur hob sie<br />
drei allgemeine Gesichtspunkte hervor:<br />
1. Insbesondere im extramuralen Bereich müsse »... gezielt ein spezifisch<br />
gerontopsychiatrisches Versorgungsangebot angestrebt<br />
werden, das allerdings mit der allgemeinpsychiatrischen Versorgungsstruktur<br />
eng verbunden bleiben sollte«. (BMJFFG 1988,<br />
S. 455)<br />
2. Gegenüber der <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete wurden Assessment-Units<br />
nicht mehr als aktuell angesehen und verworfen, insbesondere<br />
in Hinblick auf die vielerorts eigenständig entstandenen gerontopsychiatrischen<br />
Abteilungen.<br />
3. Deshalb erfolgte eine Modifizierung des schon von der <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete<br />
vorgeschlagenen Gerontopsychiatrischen Zentrums,<br />
das allerdings auch von der Expertenkommission als<br />
»Kernpunkt und Motor der regionalen Versorgung für psychisch<br />
kranke ältere Menschen« gesehen wurde. Es sollte grundsätzlich<br />
im extramuralen Bereich verankert werden und stellt das<br />
Kernstück der Empfehlungen der Expertenkommission zur gerontopsychiatrischen<br />
Versorgung dar. Dazu hieß es: »Als treibende<br />
Kraft der gerontopsychiatrischen Versorgung ist in jeder<br />
Planungseinheit (kreisfreie Städte und Landkreise) ein Gerontopsychiatrisches<br />
Zentrum vorzusehen, das in seinem Kernbestand<br />
eine teilstationäre Behandlungs- und Rehabilitationseinrichtung<br />
(Tagesklinik) und einen ambulanten Dienst