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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Angehörigenperspektive sowie drei Texte zur vergleichenden europäischen<br />

Perspektive erscheinen jetzt auch in deutscher Sprache. Die<br />

Auswahl zu treffen war nicht leicht und sie lässt sich auch nicht allein<br />

mit fachlichen Argumenten begründen. Wenn die Herausgeber<br />

sich gleichwohl für die genannten Beiträge entschieden, dann deswegen,<br />

weil – auf je unterschiedliche Weise – die <strong>Psychiatrie</strong>-Reformen<br />

in England und Italien von Deutschland aus besonders intensiv<br />

wahrgenommen wurden und die dortigen Entwicklungen noch<br />

immer kontrovers diskutiert werden (1, 2). Zugleich aber sollte mit<br />

Russland das für Deutschland wichtigste osteuropäische Land auch<br />

mit einem Beitrag in deutscher Sprache zu Wort kommen.<br />

Durch die Publikation aller Referate in den weltweit verbreiteten<br />

englischsprachigen Acta Psychiatrica Scandinavica (3) kann aber<br />

jedermann nachlesen, wie in Deutschland der derzeitige Stand der<br />

Dinge ist und sie bzw. er mag ihn vergleichen mit denjenigen Ländern,<br />

die auf dem Symposium ebenfalls zu Wort kamen, oder auch<br />

mit ihrem bzw. seinem eigenen Land. Bei der Zusammenstellung<br />

der Beiträge ist uns erneut deutlich geworden, dass bisher niemand<br />

den Stein der Weisen gefunden hat, dass kein Land von sich behaupten<br />

kann, dass die <strong>Psychiatrie</strong>-Reform, zu der die ersten westlichen<br />

Ländern vor jetzt 40 <strong>Jahre</strong>n aufgebrochen sind, jetzt schon an ihrem<br />

Ende angelangt ist. Deutlich geworden sind auch die großen<br />

regionalen und lokalen Unterschiede in den einzelnen Ländern,<br />

sodass in Zukunft zu erwarten steht, dass weniger von nationalen<br />

als von regionalen Vergleichen die Rede sein wird. Das macht wissenschaftliche<br />

Untersuchungen nicht leichter, ist aber zugleich ein<br />

starkes Indiz dafür, dass wir Europäer auf einem gemeinsamen Fundament<br />

stehen, das über Ländergrenzen hinweg verlässlich ist.<br />

Literatur<br />

Manfred Bauer und Thomas Becker<br />

1. DE GIROLAMO G. The present status of psychiatric care in Italy. Nervenarzt<br />

2001: 72: 511–514.<br />

2. HINTERHUBER H, LIENSBERGER D, TASSER A et al. The present state of<br />

psychiatric care in Italy. Nervenarzt 2001: 72: 501–510.<br />

<strong>Psychiatrie</strong> in Europa – Probleme, Fortschritte<br />

und Herausforderungen 1<br />

Wolfgang Rutz<br />

Europäische Perspektiven und seelische Krankheiten<br />

240 241<br />

Europa gesehen aus der Perspektive der World Health Organisation<br />

(WHO) ist nicht mit der Europäischen Union gleichzusetzen. Es handelt<br />

sich um ein Europa bestehend aus 51 Nationen, welches von<br />

Irland bis Kamchatka und von Grönland bis Malta mit insgesamt<br />

870 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner reicht. Es vereinigt<br />

eine riesige Bandbreite unterschiedlicher Lebensstile, und Lebensstandards,<br />

ferner gibt es große Unterschiede auf dem Gebiet des<br />

Gesundheitswesens. Die Einkommensverhältnisse zwischen den<br />

ärmsten und den reichsten Ländern Europas sind bis zu 300-fach<br />

variabel, die Lebenserwartung schwankt bis zu 30 %. Einige Gebiete<br />

Europas weisen deutliche Zeichen von »Hospitalisierung« oder Bettenübersorgung<br />

auf, in anderen Regionen findet ein rascher Abbau<br />

von psychiatrischen Großanstalten statt, gleichzeitig fehlt es jedoch<br />

an der Bereitstellung gemeindenaher Versorgungsmöglichkeiten, psychisch<br />

kranke Menschen ohne festen Wohnsitz scheinen teilweise<br />

überhaupt keine nervenärztliche Hilfe zu erhalten (1, 2). Auch Europa<br />

ist voll von Stigmatisierung und Ausgrenzung, gerade hierdurch<br />

werden sowohl die Umgestaltung des psychiatrischen Gesundheitswesens<br />

als auch die Integration psychisch kranker Menschen in die<br />

Gesellschaft verhindert (3).<br />

Auch in Europa sterben Menschen zu früh, diese hohe Morbidität<br />

ist im Wesentlichen durch Stress und Hilflosigkeit bedingt, die<br />

abnehmende Lebenserwartung findet sich insbesondere in den Ländern<br />

Osteuropas und hier vor allem bei Männern. Bemerkenswert<br />

erscheint, dass in einem dieser osteuropäischen Länder die Lebenserwartung<br />

innerhalb der letzten Dekade um zehn <strong>Jahre</strong> abgenom-<br />

1 Dieser Artikel beruht auf einer Arbeit, die zuerst in »<strong>Psychiatrie</strong> Reform –<br />

The European Perspective and Developments in Germany (<strong>25</strong> Years after<br />

the Enquete)«, Acta Psychiatrica Scandinavica Supplementum No 410,<br />

Volume 104, 2001, veröffentlicht wurde.

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