"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Es ist zum Allgemeinplatz geworden, sich über eine unangemessene<br />
wissenschaftliche Begleitforschung der italienischen Reform zu<br />
beklagen. Im Gegensatz dazu konnten DE GIROLAMO (3) und DE<br />
GIROLAMO & COZZA (2) und auch andere Autorinnen und Autoren<br />
(4) (5) (6) eine Übersicht über eine beachtliche Anzahl in nationalen<br />
und internationalen Zeitschriften veröffentlichter Studien<br />
geben (s. Tab. 1).<br />
Gegenwärtig ist das psychiatrische System intensiv mit der Einführung<br />
eines kürzlich verabschiedeten neuen Nationalen Gesundheitsplans<br />
beschäftigt.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Lorenzo Burti Die italienische <strong>Psychiatrie</strong>-Reform über 20 <strong>Jahre</strong> später<br />
Der seit 1982 wirksame Stopp aller Neuaufnahmen in psychiatrische<br />
<strong>Kranke</strong>nhäuser hat zweifellos die Institutionalisierung einer<br />
großen Anzahl von Menschen verhindert. Ob es vorzuziehen ist,<br />
makellose Studien über zahlenmäßig geringe Erfahrungen mit Enthospitalisierungen<br />
durchzuführen, um empirisch begründete Richtlinien<br />
für die Zukunft zu bestimmen oder es zu wagen, sich hier und<br />
jetzt um Tausende von Patientinnen und Patienten in der Gemeinde<br />
zu kümmern und ihre Institutionalisierung zu verhindern, ist<br />
vielmehr eine politische als eine wissenschaftliche Entscheidung. Zumindest<br />
zeigt die Geschichte, dass der erste genannte Ansatz häufiger<br />
vorkommt als Letzterer.<br />
Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und gemeindepsychiatrische<br />
Dienste haben das psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhaus ohne eine<br />
Zunahme des Drehtürpsychiatrie-Phänomens ersetzt. Außerdem<br />
zeigt sich eine stetige Reduktion der Aufnahmeraten.<br />
Ein vollständiges Netzwerk von Diensten ist für die Bürgerinnen<br />
und Bürger in ihrer eigenen Gemeinde allgemein zugänglich<br />
ohne die großen landesweiten Unterschiede wie noch in den ersten<br />
<strong>Jahre</strong>n der Reform.<br />
Wohneinrichtungen sind ebenfalls in einer Anzahl vorhanden,<br />
die über den empfohlenen Standards liegt.<br />
Alles in allem hat Italien in der mehr als ein Vierteljahrhundert<br />
andauernden Praxis gezeigt, dass es möglich ist, psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhäuser<br />
abzuschaffen und ein landesweites System psychiatrischer<br />
Versorgung nach den Prinzipien der Gemeindepsychiatrie anzubieten.<br />
328 329<br />
Tab. 1: Eine Auflistung grundlegender Untersuchungen über den Prozess und<br />
den Outcome von Gesetz Nr. 180<br />
Autor und Erschei- Untersuchungsdesign & Ziele Ergebnisse<br />
nungsjahr<br />
1. Nutzung der Dienste<br />
TANSELLA, RUGGERI 1996 Versorgungsformen über den Kontakthäufigkeit und Anzahl gemeinde<br />
(7) Zeitraum von 15 <strong>Jahre</strong>n psychiatrischer Langzeitnutzerin und -nutzer<br />
stiegen weiter an<br />
SYTEMA et al. 1996 (8), Vergleich von Diensten zwischen Italienische gemeindepsychiatrische Dienste<br />
1997 (9) europäischen Ländern stützen sich weniger auf Hospitalisierungen<br />
GATER et al. 1995 (10) als holländische oder britische<br />
VELTRO et al. 1993 (11) Vergleich von Diensten zwischen 1-<strong>Jahre</strong>s-Prävalenz von gemeindesychiatri<br />
italienischen Regionen schen Langzeitnutzern schwankte zwischen<br />
0,8 und 4,4 pro 1.000 Einwohnerinnen und<br />
Einwohner<br />
2. Merkmale der Patientinnen und Patienten<br />
BOLLINI et al., 1986 (12), Patientinnenmerkmale aus 2 Stationäre Patientinnen und Patienten<br />
1988 (13) Gruppen psychiatrischer waren älter, hatten geringeren Ausbildungs-<br />
<strong>Kranke</strong>nhäuser stand und waren behinderter als andere<br />
psychisch <strong>Kranke</strong>, die in der Gemeinde<br />
behandelt wurden<br />
MARINO et al. 1996 1-Wochen-Befragung von über Die versorgten Patientinnen und Patienten<br />
(14) 3.845 Patientinnen und Patienten waren sozial ausgeschlossen und schwer<br />
aus 47 Zentren für seelische krank<br />
Gesundheit<br />
MATTIONI et al. 1999 Nutzung von Diensten von 1.379 Patientinnen und Patienten waren überwie-<br />
(15) Patientinnen und Patienten aus gend psychotisch, mit wiederholten Aufnahden<br />
psychiatrischen Abteilungen men<br />
an Allgemeinkrankenhäusern<br />
3. Outcome von Patientinnen und Patienten aus den psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäusern<br />
SARACENO et al. 1984 Patientinnen und Patienten im Psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhauspatientinnen<br />
(16) psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhaus und -patienten wiesen lange Hospitalisierungserfahrungen<br />
auf, mit einer kleinen,<br />
aber bedeutsamen Gruppe von Patientinnen<br />
und Patienten mit gewalttätigen Verhaltensweisen<br />
BOLLINI, MOLLICA 1989 Ehemalige Bewohnerinnen und Unterschiedlich hohe Verlegungsraten<br />
(17) Bewohner des psychiatrischen<br />
<strong>Kranke</strong>nhauses, die in Einrichtungen<br />
für alte Menschen leben<br />
VALENTI et al. 1997 Mortalitätsraten von 533 Lang- Hohe Standardisierte Mortalitätsrate (SMR),<br />
(18) zeitpatientinnen und -patienten besonders unter jüngeren Patientinnen und<br />
psychiatrischer <strong>Kranke</strong>nhäuser in Patienten (SMR=43.6 bei Männern und<br />
Zentral-Italien 97.5 bei Frauen)