"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Weshalb ist das, was so einfach klingt, so schwer herzustellen?<br />
Die Jugendpsychiatrie – gerade die edle, therapeutisch ausgerichtete<br />
– bietet Beziehungen an, die Kinder ohne sicheren Lebensort als<br />
Angebot eines Familienersatzes verkennen müssen. Die Bindung an<br />
die Personen wird zur Bindung an die Institution. Die Suche nach<br />
der »guten Mutter« endet für viele in der Odyssee durch die psychiatrischen<br />
Institutionen. Mir sind viele solcher Menschen begegnet,<br />
sie machen ohnmächtig, wütend und sind nicht selten aggressiv oder<br />
sadistisch. Sie sind erst so geworden.<br />
Geschlossene Unterbringung?<br />
Charlotte Köttgen<br />
In einem Positionspapier der Gesundheitsminister- und Jugendministerkonferenz<br />
vom Juni 1991 heißt es schon damals: »Im Überschneidungsbereich<br />
der Tätigkeitsfelder Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie<br />
ist eine präzise, fachlich beidseitig akzeptierte und<br />
zugleich praktikable Abgrenzung des Klientels nicht möglich. Die<br />
Problemlagen in krisenhaft zugespitzten Situationen werden sowohl<br />
im Bereich der »Erziehungsbedürftigkeit« angesiedelt wie auch als<br />
›krankhaft‹ bezeichnet. Bei einer Anhäufung ›besonders schwieriger‹<br />
Kinder und Jugendlicher sind Mitarbeiter der Einrichtungen und<br />
Dienste häufig überfordert. Verlegungen erfolgen in jeweils andere<br />
Institutionen, auch wegen der vermuteten ›besseren Problembewältigungskompetenz‹.<br />
Das so verursachte Zerstören elementarer<br />
Beziehungsnetze verstärkt jedoch häufig die Problematik. Dies gilt<br />
insbesondere für jene Jugendlichen, die ohnehin aus belasteten,<br />
unvollständigen Familien stammen, wie sie sehr oft in der Jugendpsychiatrie<br />
und in (stationären) Einrichtungen der Jugendhilfe anzutreffen<br />
sind.« (GESUNDHEITS- UND JUGENDMINISTERIUM HAM-<br />
BURG 1991). In Bezug auf Kinder und Jugendliche in seelischen Notlagen<br />
und auf Kinder mit einer Drogenproblematik in den Hilfen zur Erziehung<br />
stellt eine Experten-Kommission »Jugendkriminalität« (BÜR-<br />
GERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 2000) in<br />
Hamburg fest: »Über die Zuständigkeit für Kinder und Jugendliche,<br />
die im Rahmen einer Betreuung in HzE in krisenhafte, emotional<br />
explosive und belastete Situationen geraten, kommt es zu unterschiedlichen<br />
Bewertungen von Jugendpsychiatrie und Jugendhilfe.<br />
Offensichtlich gibt es Verhaltensweisen von Kindern und Jugendli-<br />
Erfahrungen mit der Frage nach der geschlossenen<br />
Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Hamburg<br />
168 169<br />
chen, die nicht eindeutig zu definieren sind. Es kommt zu Konstellationen,<br />
in denen Jugendhilfe sich überfordert fühlt und jugendpsychiatrische<br />
Intervention anfordert, Jugendpsychiatrie jedoch nach<br />
Prüfung des Einzelfalls ein pädagogisches Problem, das nicht psychiatrisch<br />
zu behandeln sei, konstatiert« (BÜRGERSCHAFT DER FREI-<br />
EN UND HANSESTADT HAMBURG 2000, S. 202). In Hamburg hat<br />
die Bürgerschaft am 14.01.1998 die Einsetzung einer Enquete-<br />
Kommission zum Thema Jugendkriminalität und ihre gesellschaftlichen<br />
Ursachen beschlossen. Der Bericht dieser Enquete-Kommission<br />
wurde am 11.05.00 in der Drucksache 16/4000 (BÜRGERSCHAFT<br />
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 2000) in Hamburg verabschiedet.<br />
Auslöser waren bundesweite und in Hamburg geführte<br />
öffentliche Diskussionen mit dem Tenor »die Zahl, der von Kindern<br />
und Jugendlichen begangenen Straftaten« sei massiv gestiegen und<br />
die Täter würden »immer jünger und brutaler«. In ihrer Zusammenfassung<br />
fordert die Kommission im Wesentlichen die Verbesserung<br />
im Vorfeld der Kriminalität und der sozialen <strong>Teil</strong>habe Jugendlicher,<br />
dort heißt es u.a. aber auch, dass<br />
� eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Kinderund<br />
Jugendkriminalität ohne eine kritische Einbeziehung der Beteiligung<br />
der Medien am Verwahrlosungs- und Kriminalitätsdiskurs<br />
nicht möglich ist (BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND<br />
HANSESTADT HAMBURG 2000, S. <strong>25</strong>8).<br />
� es keinen Anlass zur gesetzlichen Änderung gibt, weder des Kinder-<br />
und Jugendhilfegesetzes (KJHG) noch des Jugendgerichtsgesetzes<br />
(JGG).<br />
Denn die Berichterstattung stellt Jugend – besonders in Wahlkämpfen<br />
– wie das Synonym für Kriminalität und Gewalt dar. Für die<br />
<strong>Psychiatrie</strong> und die Jugendhilfe empfiehlt die Kommission Prüfaufträge,<br />
und zwar ob<br />
� Handlungsbedarf besteht in der Kooperation von Jugendhilfe<br />
und Jugendpsychiatrie,<br />
� die Entwicklung einer intersektoralen Kooperationsstruktur auf<br />
fachbehördlicher und Bezirks- Ebene nötig sei,<br />
� für die Grenzfälle eine interdisziplinäre Prüfinstanz hilfreich sein<br />
könnte, um in Krisensituationen eine kurzfristige und problemangemessene<br />
Reaktion von Jugendhilfe oder Jugendpsychiatrie<br />
zu gewährleisten,