"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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d) Gibt es einen Case Manager?<br />
In Deutschland und Spanien sind Case Manager bisher noch nicht<br />
etabliert. Die schweizerische Familienorganisation befürwortet einen<br />
Case Manager, da dort erhebliche Koordinationsdefizite bestehen.<br />
In vielen Regionen Norwegens gibt es inzwischen einen Case<br />
Manager. Zudem wurden Projektgruppen gebildet, die die Aufgabe<br />
haben, in jeder norwegischen Stadt ein Case Management zu<br />
etablieren. In Schottland gibt es einen so genannten »Care Manager«,<br />
in Wales sollte jede/jeder Patientin/Patient von einem »key worker«<br />
(psychiatrisch ausgebildete Pflegeperson oder »Care Manager«<br />
des Sozialdienstes) betreut werden.<br />
e) Besteht die Ansicht, dass ein Case Manager sinnvoll ist,<br />
insbesondere beim Durchforsten des Dschungels von Institutionen<br />
(Zentren für psychiatrische Betreuung)?<br />
In Ländern, die keinen Case Manager haben, hoffen Familien darauf,<br />
dass mit deren Einführung sich die individuelle Betreuung innerhalb<br />
und zwischen den Institutionen verbessert. Länder mit Erfahrung<br />
im Case Management stehen dieser Innovation positiv<br />
gegenüber. In einem der Länder denkt man darüber eher kritisch:<br />
»In vielen Fällen sind sie (Case Manager) für die Klienten der Gesundheitsdienste<br />
von Nutzen. Oft jedoch erfüllen sie ihre Aufgabe<br />
nicht ausreichend, besonders im Hinblick auf die Familienangehörigen.«<br />
Es stellt sich daher die Frage, ob die Erwartungen an Case<br />
Manager nicht zu hoch sind.<br />
Werden die Familien als Partnerinnen respektiert?<br />
Ursula Brand Europäische Perspektiven – Aus Sicht der Familien<br />
Diese Frage wurde am negativsten beantwortet: »Die Familie trägt<br />
den Löwenanteil der Versorgung, sie ist der Mittelpunkt im System<br />
der Betreuung und Versorgung, trotzdem wird sie nicht als Partnerin<br />
respektiert.« Einige Länder gaben an, dass sich der Trend bessert.<br />
Ein weiteres Zitat: »Im Augenblick noch sehr selten, obwohl es<br />
in dieser Hinsicht viele Lippenbekenntnisse gibt.« Insgesamt sind<br />
die meisten Familienangehörigen der Ansicht, dass sie nicht respektiert<br />
werden und ihnen kein Gehör geschenkt wird. In Norwegen<br />
und im Vereinigten Königreich wird ein neues Gesetz erwartet, in<br />
dem angeregt wird, Familien als gleichwertige Partnerinnen im Ver-<br />
270 271<br />
sorgungsteam zu akzeptieren. EUFAMI ist der Meinung, dass dies<br />
ein sehr gutes Beispiel ist, für das sich auch andere nationale Familienorganisationen<br />
einsetzen sollten.<br />
Sind Familien an Therapiestrategien aktiv beteiligt<br />
und werden sie darüber informiert?<br />
Die Antworten waren unterschiedlich, generell werden die Familien<br />
aber nicht ausreichend beteiligt. Einige Antworten waren: »Ziemlich<br />
selten«. »Nein, bisher nicht, allerdings fordert das neue Gesetz<br />
(s.o.) mehr Information und Beteiligung von Familienangehörigen«<br />
(Norwegen und Vereinigtes Königreich).<br />
Verschanzen sich die Professionellen gerne<br />
hinter der Wahrung ihrer Schweigepflicht?<br />
Die Antworten reichen von »Das hängt von der Einstellung des Einzelnen<br />
ab« bis »Die ärztliche Schweigepflicht wird oft als Ausrede<br />
verwendet, um nicht mit Familienangehörigen reden zu müssen.« –<br />
»Ja, die Schweigepflicht in Bezug auf den Patienten wird von Fachleuten<br />
oft missbraucht, um Angehörigen wichtige Informationen<br />
vorzuenthalten.« Sehr interessant sind dabei die Antworten der schottischen<br />
Familienorganisation: Die NSF (Schottland) hat ein Informationspapier<br />
erarbeitet, wie mit der Schweigepflicht umgegangen<br />
werden soll. Darin wird betont, dass die Primäraufgabe im Sinne<br />
der Klientinnen und Klienten sein muss, allerdings wird auch empfohlen,<br />
dass Angehörige, falls irgend möglich, aktiv beteiligt und<br />
zumindest mit allgemeinen Informationen versorgt werden sollten.<br />
Diskussion<br />
Die vorgestellten Ergebnisse zeigen die Schwierigkeiten auf, mit<br />
denen europäische Familien von psychisch kranken Angehörigen im<br />
Hinblick auf die neuen, sich ständig ändernden Versorgungssysteme<br />
im Bereich der <strong>Psychiatrie</strong> konfrontiert sind. Nicht nur in Deutschland,<br />
sondern in ganz Europa sind in den vergangenen <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
grundlegende Verbesserungen erreicht worden, und in den Gemeinden<br />
haben sich sehr viele verschiedene Service-Institutionen etabliert.<br />
Allerdings können die Defizite, die vor <strong>25</strong> <strong>Jahre</strong>n bestanden,