"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Ursula Brand Europäische Perspektiven – Aus Sicht der Familien<br />
nicht mit den Problemen gleichgesetzt werden, die für Familien<br />
heute bei der Vielzahl psychiatrischer Einrichtung in der Gemeinde<br />
bestehen. Sie müssen mit den psychiatrischen Dienstleistungen, die<br />
heute existieren kooperieren können. Angehörige sind keine und<br />
können keine Experten des psychiatrischen Versorgungssystem sein.<br />
Sie brauchen ihre Kräfte, um die täglich anfallenden Aufgaben zu<br />
bewältigen. Obwohl nie gefragt, sind sie dennoch integraler Bestandteil<br />
des Versorgungssystems und zwar in erster Linie für chronisch<br />
psychisch <strong>Kranke</strong>.<br />
Viele Fachleute neigen zu der Ansicht, dass die Familien »loslassen«<br />
sollen, damit ihre kranken Angehörigen ein selbstbestimmtes,<br />
unabhängiges Leben führen können. Da fragen sich die betroffenen<br />
Familien, wie dies bei Diensten realisierbar ist, die zwar nicht weit<br />
entfernt sind und unter Umständen Vakanzen haben, die aber vielleicht<br />
für die individuellen Bedürfnisse einer/eines bestimmten Patientin/Patienten<br />
ungeeignet sind. Oder wie lassen sich Probleme in<br />
einer geeigneten Einrichtung bewältigen, wenn diese zu weit vom<br />
Wohnort der Patientin oder des Patienten entfernt ist? In den letzten<br />
<strong>Jahre</strong>n ist nicht nur die Zahl der <strong>Kranke</strong>nhausbetten drastisch<br />
reduziert worden, auch die Aufenthaltsdauer im <strong>Kranke</strong>nhaus ist<br />
kürzer geworden. Hinter diesem Trend steht das positive Konzept<br />
der Enthospitalisierung (Zunahme von Unabhängigkeit und Lebensqualität<br />
der Patientinnen und Patienten), allerdings spielen auch<br />
Überlegungen der Kostendämpfung eine wichtige Rolle. Wann immer<br />
sich die Gelegenheit bot, hörten die Familien von Fachleuten<br />
und Dienstleistungsplanern: »Ambulante Behandlung vor stationärer<br />
Behandlung«. Die Entwicklung einer gemeindenahen ambulanten<br />
<strong>Psychiatrie</strong> hat mit dem Ausmaß der Enthospitalisierung nicht<br />
Schritt gehalten. In manchen Gebieten gibt es so gut wie keine<br />
Einrichtungen, in anderen Regionen zahllose Zentren mit ebenso<br />
zahllosen Anbietern. Viele Benutzerinnen und Benutzer und deren<br />
Angehörige haben Schwierigkeiten, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden.<br />
Viele Einrichtungen sind für chronisch <strong>Kranke</strong> ungeeignet,<br />
und so fallen sie viel zu oft durch das Netz der angebotenen<br />
Versorgung. Wie aus den Antworten der EUFAMI-Umfrage<br />
ersichtlich, sind die Familien meistens auf sich alleine angewiesen.<br />
Es gibt keine ausreichenden Informationen und die Kooperation<br />
zwischen den einzelnen Einrichtungen ist ungenügend.<br />
In Anbetracht der Tatsache, dass noch immer 40–60 Prozent der<br />
272 273<br />
chronisch <strong>Kranke</strong>n mit ihren Familien leben, die nicht als Partnerinnen<br />
respektiert werden, sollte es den Verantwortlichen eigentlich<br />
einleuchten, dass die europäischen Familien Veränderungen und<br />
Umdenken verlangen, insbesondere im Hinblick auf die oben geschilderten<br />
Probleme. Angehörige sind zwar keine medizinischen<br />
Fachleute, dennoch fordern sie, dass Familienorganisationen, gemeinsam<br />
mit Patientinnenorganisationen, in ganz Europa in die<br />
Planung von psychiatrischen Einrichtungen eingebunden werden.<br />
Die ›Kundinnen bzw. Kunden‹ des Systems haben die meiste praktische<br />
Erfahrung, da sie in der Praxis mit den Veränderungen und<br />
Verbesserungen (oder Verschlechterungen) von Versorgungseinrichtungen<br />
konfrontiert sind. Zu den von EUFAMI-Mitgliedern als<br />
Hauptaktivitäten für 1999–2001 definierten thematischen Prioritäten<br />
(Tabelle 1) zählen<br />
I) Etablierung von Interessenvertretungen in der Europäischen<br />
Union, <strong>II</strong>) Öffentlichkeitsarbeit, <strong>II</strong>I) Vernetzung mit anderen<br />
Organisationen und IV) Austausch von Informationen und<br />
Modellen ›of best practice‹ unter den Mitgliedern.<br />
Weitere für EUFAMI besonders wichtige Themen sind Probleme im<br />
Zusammenhang mit Stigmatisierung und Diskriminierung, optimale<br />
professionelle Versorgung sowie Unterstützung der Selbsthilfe und<br />
Verbesserung von Selbsthilfestrategien. Der <strong>Aktion</strong>splan von<br />
EUFAMI soll dazu beitragen, bessere Ressourcen für Gesundheitsdienste<br />
und soziale Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen<br />
sowie deren Familien zu gewährleisten und eine gesetzliche<br />
Gleichstellung in ganz Europa sicherzustellen.<br />
Kontaktadresse:<br />
EUFAMI<br />
Groeneweg 151<br />
3001 Heverlee<br />
Belgium<br />
E-mail: Eufami@village.uunet.be<br />
Internet: www.eufami.org