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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Klaus Nißle<br />

umfassen und Altenberatung mit einbeziehen soll« (BMJFFG<br />

1988, S. 455). Dieser Empfehlung lag das Konzept zu Grunde,<br />

weder ein eigenständiges Versorgungssystem der Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie entsprechend zu fordern, noch andererseits<br />

die Versorgung psychisch kranker alter Menschen gänzlich der<br />

Allgemeinpsychiatrie zu überantworten (was bedeutet hätte, sie<br />

in der Allgemeinpsychiatrie untergehen zu lassen).<br />

Die Altenberatung sollte älteren Menschen bzw. deren Angehörigen<br />

oder Betreuungspersonen barrierefrei Informationen über die<br />

regionalen Möglichkeiten der Diagnostik, Therapie und Hilfen bei<br />

bestehenden psychischen und sozialen Problemsituationen vermitteln.<br />

Wichtig erschien in diesem Zusammenhang, diese Funktion<br />

zum Aufbau einer engen Verbindung mit den Trägern und Anbietern<br />

der Altenhilfe zu nutzen, indem die Altenberatung gemeinsam<br />

organisiert werde. Eine solche engere strukturell und organisatorisch<br />

vorgeprägte Kooperation zwischen Einrichtungen der Altenhilfe und<br />

der <strong>Psychiatrie</strong> wurde für zwingend erforderlich gehalten. Weiter<br />

wurde auch erstmals an den Ausbau eines über das Gerontopsychiatrische<br />

Zentrum hinausgehenden Verbundes gedacht. Zur Verzahnung<br />

ärztlicher und pflegerischer Versorgung Gerontopsychiatrischer<br />

Zentren schlug die Expertenkommission Folgendes vor:<br />

1. Die ärztlich-konsiliarische patientinnenbezogene Beratung sollte<br />

primär von Ärztinnen und Ärzten außerhalb der stationären<br />

<strong>Psychiatrie</strong>, also im aufsuchenden Rahmen, erfolgen.<br />

2. Der psychiatrische Konsiliardienst für Heime, insbesondere für<br />

Pflegeheime sollte fest installiert werden im Sinne einer Beratung<br />

und Fortbildung für das dort tätige Pflegepersonal sowie<br />

zur Patientinnenversorgung in den Institutionen.<br />

3. Ambulantes Assessment auf der Basis von Hausbesuchen und<br />

in enger Kooperation, vor allem mit den Sozialstationen, sollte<br />

durch die Gerontopsychiatrischen Zentren, also durch multiprofessionelle<br />

Teams durchgeführt werden. Es wurde spezieller<br />

Wert auf die Interdisziplinarität eines Behandlungsteams gelegt,<br />

also auf Behandlungsgruppen bestehend aus Fachkrankenhauspersonal,<br />

Ärztinnen und Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen<br />

bzw. Sozialgerontologinnen und Ergotherapeutinnen.<br />

4. Die Beratung von Angehörigen und Beziehungspersonen wurde<br />

als besonders wichtiger Punkt genannt.<br />

Verzahnung ärztlicher und pflegerischer Versorgung<br />

von gerontopsychiatrisch Erkrankten<br />

136 137<br />

5. Lücken in der ambulanten Versorgung sollten geschlossen werden<br />

durch differenzierte, auf spezifische <strong>Kranke</strong>ngruppen zugeschnittene<br />

Gruppentherapieangebote.<br />

Aktuelle Versorgungsrealitäten<br />

Durch eine Untersuchung an 314 öffentlichen psychiatrischen Einrichtungen<br />

der BRD im <strong>Jahre</strong> 1994 ergaben sich folgende ernüchternde<br />

Ergebnisse (DIEKMANN, NIßLE1996):<br />

1. Innerhalb der BRD besteht eine äußerst heterogene Versorgungsstruktur,<br />

ein unterschiedlicher Qualitätsstandard die ärztliche<br />

und pflegerische Versorgung gerontopsychiatrischer Patientinnen<br />

und Patienten betreffend. Diese schwankt sowohl von Bundesland<br />

zu Bundesland wie auch innerhalb der einzelnen Bundesländer.<br />

Allerdings wurde deutlich, dass gerade in den neuen<br />

Bundesländern die Strukturqualität bezüglich der von der Expertenkommission<br />

vorgeschlagenen Initiativen noch deutlich<br />

unter der der alten Bundesländer liegt. Nur 5,7 % aller Kliniken<br />

verfügten zum Befragungszeitraum über ein Gerontopsychiatrisches<br />

Zentrum im Sinne der Empfehlung der Expertenkommission.<br />

2. Die Verzahnung ärztlicher und pflegerischer Versorgung liegt<br />

nach wie vor im Argen. So werden nur ca. 6 % aller Tagespflegen<br />

von psychiatrischen Diensten aufgesucht und das dort tätige<br />

Pflegepersonal beraten, Sozialstationen ebenfalls nur in 6 %,<br />

auch Alten- und Pflegeheime – bei gravierenden Unterschieden<br />

in verschiedenen Bundesländern – in weitaus weniger als der<br />

Hälfte aller Institutionen.<br />

3. Nur in knapp 12 % aller Fälle hält ein psychiatrisches <strong>Kranke</strong>nhaus<br />

eine eigene gerontopsychiatrische Ambulanz vor.<br />

4. In manchen Bundesländern ist die ambulante Tätigkeit unter<br />

der Lobby der niedergelassenen Fachkolleginnen und -kollegen<br />

entweder untersagt oder nur durch Ermächtigung des jeweiligen<br />

Chefarztes bzw. der Chefärztin der Kliniken möglich. Dies<br />

widerspricht diametral dem Gedanken der Multiprofessionalität.<br />

5. Altenberatung findet in den neuen Bundesländern nur in 21 %<br />

der Fälle statt. Nur 42 % aller psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäuser<br />

in der BRD bieten Angehörigengruppen für psychisch kranke<br />

alte Menschen, insbesondere Demente, an.

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