"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Georg Kremer<br />
raten und sinnvoll sein. Hier besteht allerdings ein großer Nachholbedarf<br />
bei den Ärztinnen und Ärzten der medizinischen Basisversorgung.<br />
Sie wissen häufig nicht, welche suchtspezifischen Angebote<br />
in ihrer Region vorgehalten werden. Auch berufsständische<br />
Vorbehalte (»Ich arbeite nur mit Ärztinnen bzw. Ärzten zusammen!«)<br />
wirken sich oftmals negativ auf die Vermittlungshäufigkeit aus.<br />
Kurze Interventionen, die auf einer motivierenden Grundhaltung<br />
beruhen und einige wenige Basisprinzipien der Gesprächsführung<br />
beachten, haben sich somit als ein probates und für die niedergelassene<br />
oder im <strong>Kranke</strong>nhaus tätige Ärztin oder den Arzt<br />
lohnendes Mittel erwiesen, um den Suchtmittelproblemen der Patientinnen<br />
und Patienten zu begegnen. Die Potenz der Kurzinterventionen<br />
erweist sich insbesondere im Bereich der früh erkannten<br />
bzw. noch nicht abhängigen Patientinnen und Patienten.<br />
Die Früherkennung und qualifizierte Beratung/Behandlung von<br />
Patientinnen mit Alkohol- und/oder Drogenproblemen in Arztpraxen<br />
und Allgemeinkrankenhäusern ist praktikabel und wird von den<br />
Patientinnen in hohem Maße angenommen<br />
Erfahrungen aus verschiedenen Studien (2, 12, 15) zeigen, dass Ärztinnen<br />
und Ärzte im ambulanten Bereich bereit sind, ihre Kompetenzen<br />
hinsichtlich Problemen mit Suchtmitteln zu verbessern und<br />
entsprechende Interventionen in ihre Behandlungsroutine zu übernehmen.<br />
Auch im Allgemeinkrankenhaus haben sich viele Stationsärztinnen<br />
und -ärzte an Maßnahmen der Früherkennung und Kurzintervention<br />
beteiligt. Darüber hinaus hat es sich hier als praktikabel<br />
und sinnvoll erwiesen, auf den Stationen einen »Suchtmittelliaisondienst«<br />
einzurichten.<br />
Alle Studien zeigen, dass sowohl Patientinnen und Patienten der<br />
ambulanten als auch Patientinnen und Patienten der stationären medizinischen<br />
Versorgung in hohem Maße bereit sind, sich auf Suchtmittelprobleme<br />
ansprechen zu lassen und ihre Konsumgewohnheiten<br />
zu problematisieren.<br />
Qualifikation (Arztpraxen und Allgemeinkrankenhäuser) und<br />
Einstellung von Fachpersonal (Allgemeinkrankenhäuser) sollten<br />
in Zukunft die Qualität der suchtspezifischen Behandlung und ggfs.<br />
eine verbindliche Überleitung in das Suchthilfesystem gewährleisten<br />
186 187<br />
Zur Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten in suchtspezifischen<br />
Fragen hat die Bundesärztekammer 1998 die Fachkunde »Suchtmedizinische<br />
Grundversorgung« verabschiedet (16, 17, 18). Diese<br />
50-stündige Weiterbildung, die prinzipiell allen Gebietsbezeichnungen<br />
offen steht, vermittelt Kenntnisse über Prävention, Diagnostik,<br />
Therapie und Rehabilitation von Suchterkrankungen und bietet<br />
die notwendigen Voraussetzungen, um Kurzinterventionen bei<br />
Alkohol-, Medikamenten-, Nikotin- und Drogenproblemen qualifiziert<br />
durchführen zu können. Die Fachkunde wird erfahrungsgemäß<br />
von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten erworben.<br />
Im Allgemeinkrankenhaus reicht es nicht aus, das Stationspersonal<br />
in Suchtfragen weiterzubilden. Fachpersonal muss zur kontinuierlichen<br />
Sicherung eines Früherkennungs- und Kurzinterventionskonzepts<br />
eingestellt werden. Eigene Berechnungen auf Grund<br />
konkreter Erprobungen in Allgemeinkrankenhäusern (19) ergaben<br />
einen Bedarf von etwa einer vollen Stelle für 350 Betten. Das Fachpersonal<br />
übernimmt gleichzeitig eine Brückenfunktion zu den Angeboten<br />
der kommunalen Suchtkrankenhilfe.<br />
Inwieweit unter der derzeit angespannten Finanzierungslage des<br />
ambulanten wie des stationären medizinischen Sektors eine inhaltliche<br />
und strukturelle Weiterentwicklung im oben genannten Sinne<br />
realistisch ist, vermag der Autor allerdings nicht zu beantworten.<br />
Literatur<br />
Suchtkrankenhilfe und medizinische Primärversorgung<br />
1. AROLT V, DRIESSEN M, SCHÜRMANN A. Häufigkeit und Behandlungsbedarf<br />
von Alkoholismus bei internistischen und chirurgischen <strong>Kranke</strong>nhauspatienten.<br />
Fortschritte Neurologie <strong>Psychiatrie</strong> 1995; 63: 283–288<br />
2. JOHN U, HAPKE U, RUMPF Hj, HILL A, DILLING H. Prävalenz und<br />
Sekundärprävention von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit in der<br />
medizinischen Versorgung. In: BMG (Hrsg). Prävalenz und Sekundärprävention<br />
von Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit in der medizinischen<br />
Versorgung. Schriftenreihe des BMG. Bd 71; Baden-Baden:<br />
Nomos. 1996<br />
3. MAYLATH E, SEIDEL J. Analyse der psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhausfälle