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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Ingmar Steinhart<br />

gutes der <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete und den nachfolgenden Empfehlungen<br />

der Expertenkommission zu suchen und diese auch flächendeckend<br />

umzusetzen. Haben wir denn tatsächlich für den »harten<br />

Kern« Alternativen zu den Langzeitbereichen entwickelt, die von<br />

<strong>Psychiatrie</strong>-Erfahrenen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter »ausgehalten«<br />

werden können? Zeigen sich hier tatsächlich »Grenzen der<br />

Enthospitalisierung« oder kann nur das »System« nicht so weit »denken«?<br />

Noch viel weniger ist es gelungen, den <strong>Psychiatrie</strong>-Erfahrenen<br />

die Macht über ihre Unterstützungssysteme tatsächlich zu übergeben<br />

(Empowerment) – die Ermöglichung der <strong>Teil</strong>nahme an<br />

Fachtagungen oder einzelne Beiträge auf mehrheitlich durch Profis<br />

besetzten Foren kann noch nicht als grundsätzliche Trendwende<br />

gewertet werden. Beide Beiträge zeigen, dass sich an einer Diskussion<br />

zu Fragen der Enthospitalisierung stets die Grundwertediskussion<br />

der <strong>Psychiatrie</strong>-Reform festmacht. Nach unserer Einschätzung<br />

befinden wir uns noch in einem Übergangsstadium, in<br />

dem die Kernfrage der Reform noch nicht beantwortet ist: Können<br />

wir den von psychiatrischer Krankheit und/oder <strong>Psychiatrie</strong> betroffenen<br />

Menschen personenorientierte Lösungsmodelle und Alternativen<br />

zur Hospitalisierung flächendeckend anbieten – wird die<br />

»Aufhebung der Institution« gelingen oder haben Institutionen in<br />

professionalisierter Form eine (neue) Perspektive?<br />

Das Berliner Weglaufhaus – ein Angebot<br />

zur Ent-Psychiatrisierung<br />

Stefan Bräunling<br />

102 103<br />

Das Weglaufhaus »Villa Stöckle«, das seit Anfang 1996 existiert, bietet<br />

Menschen, die das (sozial-)psychiatrische Versorgungsnetz verlassen<br />

wollen, eine Alternative und die Möglichkeit, eine Krisensituation<br />

intensiv betreut, aber ohne psychiatrische Maßnahmen durchzustehen.<br />

Es handelt sich um ein antipsychiatrisches Projekt, das<br />

Einzige dieser Art in Deutschland. Das bedeutet, dass auch diese<br />

Einrichtung und ihre Klientinnen und Klienten in vielerlei Bezug<br />

zu den Entwicklungen im Zuge der <strong>Psychiatrie</strong>-Enquete stehen, die<br />

wesentlichen Grundzüge dieser Reform hier aber nicht aktiv verfolgt<br />

werden. Die Grundüberzeugung der Antipsychiatrie ist, dass es eine<br />

Erkrankung der Psyche nicht gibt, insofern gibt es im Weglaufhaus<br />

keine »psychisch <strong>Kranke</strong>n«, das wesentliche Angebot dieses Hauses<br />

ist die intensive Krisenbegleitung ohne den Einsatz von Psychopharmaka.<br />

Im Folgenden wird die Praxis in dieser Einrichtung zunächst<br />

knapp dargestellt, danach die eigenen Grundsätze. Einige Differenzen<br />

zu sozialpsychiatrischen Ansätzen werden dabei erkennbar sein.<br />

Praxis im Weglaufhaus<br />

Das Weglaufhaus befindet sich in einem ruhigen Wohngebiet am<br />

Nordrand von Berlin. In einer geräumigen Einfamilien-Villa mit<br />

Garten können bis zu 13 Frauen und Männer für eine begrenzte<br />

Zeit von etwa einem halben Jahr aufgenommen werden. Es gibt drei<br />

Einzelzimmer, drei Doppelzimmer und eine Frauenetage, auf der<br />

bis zu vier Frauen wohnen können. Aufnahmevoraussetzungen sind:<br />

� <strong>Psychiatrie</strong>betroffenheit und (drohende) Wohnungslosigkeit<br />

� Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für sich selbst und<br />

für die Gemeinschaft<br />

� Keine Abhängigkeit von harten Drogen<br />

� Keine bestehende gerichtliche Unterbringung<br />

Die wichtigsten Regeln innerhalb des Weglaufhauses lauten: Keine<br />

Gewalt und gegenseitige Rücksichtnahme. Während der Zeit im Weg-

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