"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Michael von Cranach<br />
und in Bayern von den Landesregierungen stark in Frage gestellt<br />
wurden und ihre Abschaffung diskutiert wurde, ist ihre Verantwortung<br />
für die stationäre psychiatrische Versorgung eines ihrer wichtigsten<br />
Argumente, um die Abschaffung zu verhindern. Jeder Versuch<br />
der Regionalisierung der stationären Versorgung muss diese<br />
Interessenslage berücksichtigen. In Bayern hat man dahingehend<br />
eine Lösung gefunden, dass die Bezirke in Form von Zweckverbänden<br />
oder durch Verträge mit den entsprechenden Kommunen weiterhin<br />
Träger der integrierten Abteilungen am allgemeinen <strong>Kranke</strong>nhaus<br />
bleiben. Die Träger psychiatrischer <strong>Kranke</strong>nhäuser haben<br />
aber noch einen weiteren Konflikt. Regionalisierung, Enthospitalisierung<br />
und Ambulantisierung der <strong>Psychiatrie</strong> haben viele Fachkrankenhäuser<br />
an die Grenze ihrer Wirtschaftlichkeit gebracht bzw.<br />
diese schon überschritten. Die Träger sind in dieser Situation allein<br />
gelassen und wehren sich auch aus diesen Gründen, eine weitere<br />
Regionalisierung zuzulassen.<br />
Die <strong>Kranke</strong>nkassen haben bisher an diesem Prozess der Reform<br />
der stationären psychiatrischen Versorgung nicht besonders aktiv gestaltend<br />
teilgenommen. Sie haben in den <strong>Kranke</strong>nhausplanungsgremien<br />
viele Reformen unterstützt und vor Ort finanziert, aber ihren<br />
theoretischen Einfluss als Hauptfinanzierer nicht ausgeschöpft.<br />
Sie sind viel zu viel damit beschäftigt gewesen, die jährlichen Budgets<br />
der <strong>Kranke</strong>nhäuser nicht überproportional steigen zu lassen,<br />
um langfristige Veränderungsprozesse in Gang zu setzen. Ihre Rolle<br />
wird sich aber meiner Ansicht nach ändern und zwar mit der Einführung<br />
des monistischen <strong>Kranke</strong>nhausfinanzierungsmodells in den<br />
meisten Bundesländern. Von dem Augenblick an, an dem die <strong>Kranke</strong>nkassen<br />
nicht mehr nur Jahr für Jahr die laufenden Kosten des<br />
<strong>Kranke</strong>nhauses zahlen müssen, sondern auch die Mittel für langfristige<br />
Investitionen, werden sie gezwungen sein, auch längerfristig<br />
zu planen.<br />
Nutzerinnen/Nutzer und Angehörige spielen eine zunehmende Bedeutung<br />
im gesundheitspolitischen Entscheidungsprozess. In manchen<br />
europäischen Ländern sind sie bereits stimmberechtigte Mitglieder<br />
in gesundheitspolitischen Planungskommissionen von der<br />
kommunalen bis hin zur nationalen Ebene. Diese Entwicklung, die<br />
von der EU massiv unterstützt wird, wird auch bei uns Fuß fassen<br />
und wir werden lernen, Entscheidungen mit ihnen partnerschaftlich<br />
im Sinne eines neuen zivilen Dialoges zu treffen.<br />
Vom Streit um Spezialisierung und Regionalisierung<br />
22 23<br />
Die Kommunen haben sich bisher aus diesen Fragen herausgehalten<br />
und sich in der Regel punktuell nur dort gemeldet, wo durch<br />
Rückgang der Belegung und wirtschaftliche Probleme des lokalen<br />
<strong>Kranke</strong>nhauses der Aufbau einer psychiatrischen Abteilung Hilfe<br />
versprach. Es ist vorauszusehen, dass durch die Einführung der<br />
DRGs, der neuen Fallpauschalen, in nächster Zeit der Bettenrückgang<br />
derart massiv sein wird, dass die <strong>Psychiatrie</strong> mit verlockenden<br />
Angeboten überschüttet werden wird.<br />
Besonders schwer einzuschätzen ist die Rolle der Landes- und<br />
Bundesministerien, die für Gesundheit zuständig sind. Da wo sie nicht<br />
selbst die Trägerschaft der <strong>Psychiatrie</strong> haben, beschränkt sich bisher<br />
offiziell ihr Einfluss auf die Steuerung der investiven Maßnahmen<br />
in den <strong>Kranke</strong>nhausplanungsausschüssen. Hier haben sie den<br />
Trägern der psychiatrischen Fachkrankenhäuser viele Entscheidungen<br />
überlassen. Mein Gefühl ist jedoch, dass in den meisten dieser<br />
Ministerien die einstufige Abteilung am Allgemeinkrankenhaus als<br />
Modell der Zukunft gesehen wird, dieses aber aus Rücksicht auf die<br />
Träger der <strong>Psychiatrie</strong> nicht explizit ausgedrückt wird. In den Stadtstaaten<br />
hat sich nach meiner Erkenntnis das jeweils zuständige Ministerium<br />
eindeutig für die Abteilung am allgemeinen <strong>Kranke</strong>nhaus<br />
entschieden.<br />
Unterschätzen wir auch nicht den Einfluss der öffentlichen Meinung.<br />
Denken Sie mit welcher Eindeutigkeit und auch Resonanz die<br />
Frankfurter Allgemeine, medizinjournalistisch eine der renommiertesten<br />
Zeitungen, zu unserem Streit Stellung genommen hat.<br />
Insgesamt möchte ich mit dieser längst nicht vollständigen Auflistung<br />
die Rolle, die wir Professionelle in diesem Entwicklungsprozess<br />
spielen, etwas relativieren und zeigen, dass das Spannungsfeld,<br />
in dem wir handeln, äußerst vielschichtig ist. Es ist auch wichtig<br />
zu erkennen, dass die Entwicklung der psychiatrischen Versorgung<br />
nicht getrennt von der allgemeinen Entwicklung des <strong>Kranke</strong>nhauses<br />
und des medizinischen Versorgungssystems zu sehen ist. Kurz<br />
einige Gedanken zum gesundheitspolitischem Kontext, in dem sich<br />
die <strong>Psychiatrie</strong>-Reform abspielt. Die Weltgesundheitsorganisation hat<br />
programmatisch festgestellt, dass die Gesundheitsversorgung auf<br />
zwei Säulen ruht, das Allgemeinarztsystem (primary health care) und<br />
dem hoch spezialisierten <strong>Kranke</strong>nhaus. Jeder in der Bundesrepublik<br />
weiß, dass früher oder später die geballte Professionalität des<br />
regionalen <strong>Kranke</strong>nhauses nicht nur bettlägerigen Patientinnen und