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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Wolfgang Rutz <strong>Psychiatrie</strong> in Europa – Probleme, Fortschritte und Herausforderungen<br />

sollten berücksichtigt werden. Ein Konzept, welches die wechselseitigen<br />

Beziehungen zwischen Lebensbedingungen und Gesundheit<br />

um den Aspekt des »seelischen Lebensraums« und der »seelischen<br />

Gesundheit« erweitert, ist erforderlich. Dieses Konzept sollte auch<br />

der Tatsache gerecht werden, dass der Mensch sowohl Körper als<br />

auch Seele ist. Behandlungskonzepte sollten also einen holistischen,<br />

respektvollen und übergreifenden Ansatz wählen.<br />

Die Trennung zwischen Körper und Seele behindert weiterhin<br />

die Forschung und verhindert die rasche Einführung evidenzbasierter<br />

Behandlungsstrategien und adäquater Strukturen in der Gesundheitsfürsorge.<br />

Dies führt dazu, dass einige Patientinnen und<br />

Patienten nach alternativen und manchmal auch gefährlichen Behandlungsmethoden<br />

Ausschau halten. Es ist an der Zeit, qualitative<br />

und quantitative Forschung zu verbinden und humanistische und<br />

biologische Anschauungen miteinander zu verbinden. Ausschließlich<br />

und reduktionistisch auf biologische oder psychotherapeutische<br />

Konzepte zu verfallen, erscheint nicht ratsam, da kein Konzept allein<br />

Prozesse menschlichen Lebens mit all seinen Fassetten berücksichtigen<br />

und positiv beeinflussen kann.<br />

Ein Modell, das psychischer Gesundheit gerecht werden möchte,<br />

sollte Aspekte der Spiritualität aufnehmen. Spiritualität, die tolerant<br />

und respektvoll ausgeübt wird, kann durchaus als Bereicherung<br />

angesehen werden. Heutzutage wird der Wissenstransfer innerhalb<br />

Europas oft zu unilateral von West nach Ost getragen, dies scheint nicht<br />

immer günstig. Es ist an der Zeit, Wissensschätze der osteuropäischen<br />

Länder in den Westen zu tragen, zum Beispiel auf dem Gebiet:<br />

� der Entwicklung umschriebener psychiatrischer Gesundheitsdienste,<br />

welche mit Flexibilität und Improvisation gute klinische<br />

Wissenschaft mit bescheidensten Mitteln erreichen;<br />

� der Verbreitung osteuropäischer holistischer Behandlungsmethoden,<br />

die auch spirituelle und existenzielle Dimensionen berücksichtigen,<br />

Traditionen, die in Westeuropa verloren gegangen sind.<br />

Gesundheitsförderung und Vorbeugung seelischer Krankheiten<br />

248 249<br />

Die Aufspaltung der Medizin in verschiedenste <strong>Teil</strong>bereiche baut oft<br />

hinderliche Grenzen auf. Diese finden sich auch bei Fragen der<br />

Gesundheitsförderung und der Krankheitsprävention, bei Meinungsverschiedenheiten<br />

von Anhängerinnen und Anhängern unterschiedlicher<br />

psychiatrischer Gesundheitskonzepte, und zwischen<br />

Vertreterinnen und Vertretern salutogenetischer und pathogenetischer<br />

Krankheitsmodelle. Diese unglücklichen Unterteilungen<br />

werden häufig von Befürworterinnen und Befürwortern rein soziologischer<br />

oder rein medizinischer Konzepte in einem Kampf um<br />

finanzielle Mittel heraufbeschworen. Es ist notwendig, diese aufgebauten<br />

Grenzen zu überwinden und sich darauf zu besinnen, dass<br />

zwischen Gesundheitsförderung und der Verhinderung, Behandlung<br />

und Rehabilitation von Krankheiten fließende Übergänge bestehen.<br />

Ferner ist davon auszugehen, dass Lebensumstände, welche gesundheitsförderlich<br />

sind, gleichzeitig auch krankheitspräventiv wirksam<br />

werden können und somit zu einer Stabilisierung psychischer Vulnerabilität<br />

beitragen.<br />

Es ist für alle Länder von großer Bedeutung, die seelische Gesundheit<br />

ihrer Bevölkerung zu würdigen und in diese zu investieren.<br />

Politische Veränderungen haben einen starken Einfluss auf die<br />

Befindlichkeit einer Bevölkerung, dieser Tatsache müssen die politischen<br />

Machthaber gerecht werden. Die Notwendigkeit zu handeln<br />

wird vor dem Hintergrund, dass in einigen Ländern die Sterberate<br />

psychisch kranker Menschen in psychiatrischen Großanstalten bei<br />

30 % liegt, deutlich.<br />

Es gibt sogar eine Diskussion, ob man sich vermehrt um übertragbare<br />

oder nicht übertragbare Erkrankungen kümmern sollte. Es<br />

herrscht noch immer eine Kluft zwischen dem Verständnis und dem<br />

Konzept seelischer und körperlicher Erkrankungen. Dabei besteht die<br />

eigentliche Herausforderung heutzutage darin, die komplexen Zusammenhänge<br />

von Krankheitsentwicklung und Genesung zu begreifen,<br />

hierbei ist davon auszugehen, dass die Auseinandersetzung mit<br />

den meisten Erkrankungen einen multidisziplinären Ansatz erfordert,<br />

es ist wichtig fachübergreifend zu arbeiten und nicht in Debatten<br />

über unterschiedliche Therapiekonzepte stecken zu bleiben.<br />

Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt benötigen<br />

sowohl intensivmedizinische Behandlung als auch Anleitung zum

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