"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />
Wie erfolgreich ist die Implementierung<br />
der gemeindepsychiatrischen Versorgung?<br />
Trotz relativ niedriger Gesundheitskosten können in England wesentliche<br />
Stärken der psychiatrischen Versorgung erkannt werden<br />
(12). Es hat ein beträchtlicher Fortschritt im Hinblick auf Deinstitutionalisierung<br />
und Entwicklung gemeindepsychiatrischer multidisziplinärer<br />
Versorgung stattgefunden, obwohl der Prozess der<br />
Veränderung und die Formen der Versorgung von Ort zu Ort variieren.<br />
Deswegen überraschte es, dass im Jahr 1998 die folgende<br />
Aussage im British Medical Journal auftauchte (13).<br />
»Der Gesundheitsminister Frank Dobsen hat diese Woche den<br />
Abschied von der gemeindeorientierten Versorgung psychisch <strong>Kranke</strong>r,<br />
die in England seit mehr als zwanzig <strong>Jahre</strong>n Bestandteil der<br />
Gesundheitspolitik ist, signalisiert. Herr Dobson bemerkte, dass die<br />
gemeindepsychiatrische Versorgung gescheitert wäre. Es würden zu<br />
viele vulnerable Patienten ohne adäquate Unterstützung in der Gemeinde<br />
alleine gelassen, die deshalb sich selbst und die Öffentlichkeit<br />
in Gefahr bringen können.«<br />
Dieser Bericht fand eine große Verbreitung, obwohl folgende<br />
offizielle Aussagen zeigten, dass abgesehen von einer Erweiterung<br />
der Forensik, keine umfangreiche Reinstitutionalisierung erwogen<br />
wurde. Jedoch wurde die gegenwärtige Organisation der gemeindepsychiatrischen<br />
Versorgung in vielerlei Hinsicht als inadäquat bezeichnet.<br />
Spätere Regierungspolitik schlug in Form von National<br />
Service Framework und NHS Plan wesentliche Veränderungen vor.<br />
Inwiefern die Kommentare über das Scheitern gemeindenaher psychiatrischer<br />
Versorgung dem wahren Zustand der <strong>Psychiatrie</strong> in<br />
England entsprachen oder aber eine unverhältnismäßige Reaktion<br />
der sensationsträchtigen und stigmatisierenden Medien auf psychiatrische<br />
Themen waren, muss weiter diskutiert werden. Wie auch<br />
immer die Leistungen der Gemeindepsychiatrie im Hinblick auf die<br />
<strong>Psychiatrie</strong>-Reform in England waren, gibt es noch einige wichtige<br />
Dilemmata, die es zu beachten gilt. Einige von diesen werden diskutiert.<br />
Wie kann Stigmatisierung psychisch <strong>Kranke</strong>r reduziert werden?<br />
346 347<br />
Die Regierungsaussagen über das Scheitern der Gemeindepsychiatrie<br />
wurde von einigen Kommentatoren als eine Reaktion auf die sehr<br />
negative Medienerstattung über die gemeindenahe Betreuung in den<br />
90-er <strong>Jahre</strong>n verstanden. Mehrere Gewalttaten durch psychisch kranke<br />
Individuen wurden in den Medien intensiv dargestellt, sodass die<br />
Betreuung von Menschen mit schwerer psychiatrischer Erkrankung<br />
gefährlich erschien. Dieses Thema blieb in der Berichterstattung über<br />
die psychiatrische Gesundheitspolitik im Vordergrund, obwohl es einen<br />
schlüssigen Beleg dafür gibt, dass die Mordrate durch psychisch<br />
kranke Individuen im Rahmen der Deinstitutionalisierung in UK nicht<br />
zugenommen hat (14). Das Bild psychisch <strong>Kranke</strong>r in der Öffentlichkeit<br />
spiegelt die überzogenen Sorgen wieder. Eine große Untersuchung<br />
ergab eine besonders negative Haltung der Bevölkerung gegenüber der<br />
Schizophrenie, wobei viele glaubten, dass an Schizophrenie erkrankte<br />
Menschen im Allgemeinen gewalttätig und unberechenbar sowie<br />
unzugänglich seien. Diese Einstellungen waren bei Menschen unter<br />
65 <strong>Jahre</strong> ausgeprägter als bei Menschen über 65 <strong>Jahre</strong>, auch waren<br />
sie bei Menschen, deren Wissen über Schizophrenie ansonsten ganz<br />
gut zu sein schien, weit verbreitet. Das Royal College of Psychiatrists<br />
(Fachvertretung der <strong>Psychiatrie</strong> in UK) hat eine 5 <strong>Jahre</strong>s-Kampagne<br />
mit dem Ziel gestartet, das negative Bild der <strong>Psychiatrie</strong> in der Medien-Berichterstattung<br />
herauszufordern, die Bevölkerung über psychiatrische<br />
Krankheiten aufzuklären, das Stigma zu reduzieren und die<br />
Diskriminierung psychisch <strong>Kranke</strong>r zu bekämpfen (16). Gegenwärtig<br />
ist Stigmatisierung ein zentraler Faktor sozialer Ausgrenzung von<br />
Menschen mit schwerer psychischer Erkrankung in England (17).<br />
Wie können psychiatrische Gesundheitsdienste<br />
auf psychiatrische Notfälle effektiv reagieren?<br />
Die gemeindepsychiatrischen Teams gewähren psychiatrischen Notfalldienst<br />
üblicherweise nur innerhalb der üblichen Bürozeiten, wodurch<br />
allerdings andere Tätigkeiten der Mitarbeiter beeinträchtigt<br />
werden. Nach 17.00 Uhr und an Wochenenden wurde die Verantwortung<br />
von lokalen Notfalldiensten oder Notfallambulanzen der<br />
Allgemeinkrankenhäuser übernommen, obwohl ein Dienst habender<br />
Psychiater und Sozialarbeiter für Unterbringungsfälle zur Verfügung