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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Stressabbau; Patientinnen und Patienten, die an einer akuten Depression<br />

oder Psychose leiden, brauchen sowohl eine rasche Behandlung<br />

mit Psychopharmaka als auch ergänzende psychotherapeutische<br />

und soziotherapeutische Hilfestellungen. Sowohl die körperlichen<br />

als auch die seelischen Erkrankungen müssen in ihren Konzepten<br />

neu überdacht werden, und das Konzept vieler psychiatrischer Gesundheitsdienste,<br />

welches auf einem multifaktoriellen und multidisziplinären<br />

Ansatz beruht, könnte durchaus als innovatives Beispiel<br />

eines modernen Gesundheitswesens gelten.<br />

Es scheint notwendig, die Bedeutung der qualitativen Forschung<br />

stärker zu betonen und den Wissensschatz gegenwärtiger Behandlungsstrategien<br />

zusammenzufügen. So kann man zu einer holistischen<br />

und wissenschaftlichen Sicht therapeutischer Möglichkeiten<br />

kommen. Metaphorisch gesagt, besteht heutzutage das Risiko,<br />

»den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen«, dies bedeutet,<br />

dass Kenntnisse und gesicherte Forschungsergebnisse häufig zu<br />

fragmentiert und nicht sinnvoll miteinander verbunden sind. Sie sind<br />

oft nicht in klinische Algorithmen integriert, da Forschungsprojekte<br />

dieser Art zu wenig belohnt, unterstützt und wertgeschätzt werden.<br />

Um psychische Gesundheit, psychiatrische Versorgungssysteme,<br />

Diagnostik und Verlaufsbeobachtungen zu ermöglichen, ist es notwendig,<br />

den derzeit bestehenden Forschungsfokus nicht nur auf randomisiert<br />

kontrollierte und quantitative Forschungsprojekte zu legen.<br />

Qualitative Forschung und klinische Erfahrung können durchaus<br />

Beweiskraft haben. Wie dies durchgeführt werden kann, ist zu<br />

Zeit auch innerhalb der WHO Gegenstand intensiver Diskussionen.<br />

Koordination innerhalb und außerhalb der WHO<br />

Wolfgang Rutz <strong>Psychiatrie</strong> in Europa – Probleme, Fortschritte und Herausforderungen<br />

Die angesprochenen Herausforderungen, Probleme und Verbesserungsversuche<br />

benötigen eine koordinierte Vorgehensweise. Diese<br />

Koordination ist selbst innerhalb einer internationalen Organisation,<br />

wie der WHO, keine leichte Aufgabe. Positive Veränderungen<br />

zeichnen sich jedoch ab und das Arbeitsprojekt einer geschlossenen<br />

und enger zusammenrückenden WHO gewinnt mehr und mehr an<br />

Bedeutung. Ein weiterer Handlungsraum für geplante Verbesserungen<br />

ergibt sich aus der Zusammenarbeit zwischen der WHO und der<br />

Europäischen Union. Hier hat es innerhalb der letzten zwei <strong>Jahre</strong><br />

zunehmend gemeinsame Arbeitsgruppen und Projekte gegeben,<br />

<strong>25</strong>0 <strong>25</strong>1<br />

deren Schwerpunkt auf Krankheiten und Todesfällen liegt, welche<br />

im Zusammenhang mit Stress, Depression, Selbstmord stehen. Darüber<br />

hinaus entstehen Arbeitsgruppen zwischen staatlichen und<br />

nicht staatlichen Organisationen, dem privaten und dem öffentlichen<br />

Bereich, es gibt auch Arbeitsbeziehungen zwischen der WHO<br />

und privaten Trägern, welche zukünftig noch ausbaufähig sind.<br />

Gleichzeitig zielt die Arbeit der WHO darauf ab, innerhalb der Gesundheitssysteme<br />

und auf Staats- und Gemeindeebene interdisziplinär<br />

und fachübergreifend näher zusammen zu rücken. Um die<br />

Lebenssituationen und Aussichten der psychisch kranken Menschen<br />

innerhalb der Mitgliedsstaaten zu verbessern, müssen Ministerien<br />

unterschiedlicher Aufgabenbereiche (z.B. Gesundheit, Arbeit, Familie<br />

und Soziales) zusammenarbeiten, um gemeinsame und umfassende<br />

Angebote zu schaffen. Die Forschung auf dem Gebiet der<br />

seelischen Gesundheit erfordert ebenfalls ein interdisziplinäres Vorgehen.<br />

Nur so kann der komplizierten Verflechtung psychischer Störungen<br />

mit der Vielseitigkeit menschlichen Lebens korrekt begegnet<br />

werden. Für das psychiatrische Gesundheitssystem ist es z.B.<br />

unerlässlich, mit Suchtberatungsstellen eng zusammen zu arbeiten.<br />

In der heutigen Gesellschaft nehmen Suchterkrankungen und risikoreiche<br />

Verhaltensweisen zu. Hieraus ergeben sich erheblich ansteigende<br />

Morbiditäts- und Mortalitätszahlen. Die Arbeit auf diesem<br />

Gebiet ist schwierig. Versuche, die auf die Verbesserung der seelischen<br />

Gesundheit Erwachsener hinzielen, werden von Mitarbeiterinnen<br />

und -mitarbeitern des Gesundheitswesens sowie Politikerinnen<br />

und Politikern oft kritisch gesehen. Hier herrscht nicht selten<br />

der Irrglaube vor, dass durch vermehrte Hilfen für Menschen mit<br />

Depressionen, aggressiven Impulskontrollstörungen oder Substanzmissbrauch<br />

auch negative Folgen eintreten könnten. Diese Argumentation<br />

zeigt, dass selbst unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

des Gesundheitswesens bzw. der Gesundheitsplanung<br />

Vorurteile und Stigmatisierung fest verwurzelt sind.

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