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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />

nahme in der Gemeinde auf nicht freiwilliger Grundlage durchgeführt<br />

werden kann. Die Ängste vor Gewalt psychisch <strong>Kranke</strong>r in der<br />

Öffentlichkeit und Medien haben die Atmosphäre für Richtlinien<br />

zur Zwangsbehandlung in der Gemeinde geschaffen. Pläne für die<br />

anstehende Revision des <strong>Psychiatrie</strong>gesetztes weisen darauf hin, dass<br />

die neue Gesetzgebung Zwangsmedikation in der Gemeinde gestatten<br />

wird. Ein weiterer Vorschlag für die neue Gesetzgebung ist die<br />

Unterbringung von Individuen mit schwerer Persönlichkeitsstörung<br />

nach Risikokriterien, auch wenn sie das früher geforderte Kriterium<br />

der Behandelbarkeit nicht erfüllen. Dies hat eine erregte Debatte<br />

ausgelöst. Die weit verbreitete Meinung von Nutzern und psychiatrischem<br />

Fachpersonal ist dabei, dass dieses Gesetz ethisch umstritten<br />

und außerdem auch schwer in die Praxis umzusetzen sei (27).<br />

Wie können hochqualifizierte Mitarbeiter in psychiatrischen<br />

Diensten rekrutiert und behalten werden?<br />

Ein häufiges Problem bei den Bemühungen um eine hoch qualitative<br />

psychiatrische Versorgung und bei der Entwicklung innovativer<br />

Dienste ist der Mangel an qualifizierten psychiatrischen Professionellen<br />

(28). Die meisten psychiatrischen Dienste versuchen kontinuierlich<br />

Fachpersonal anzuwerben, auch das Anbinden von Mitarbeitern<br />

erweist sich in vielen Versorgungsgebieten als eine zentrale<br />

Schwierigkeit. Die Schwierigkeit wird wahrscheinlich zunehmen, da<br />

zurzeit mehrere hunderte neue Kriseninterventionsteams und »assertive<br />

outreach teams« geplant und errichtet werden (2). Hohe<br />

Personalfluktuation verhindert oft sowohl die Teambildung als auch<br />

-tätigkeit, weil Mitarbeiter einschließlich Teamleiter oft nach kurzer<br />

Zeit kündigen. Untersuchungen zeigen, dass es bei psychiatrischem<br />

Personal häufig zu einem »burn-out«-Syndrom kommt (28). Besonders<br />

betroffen sind dabei die Mitarbeiter der neuen Versorgungsmodelle,<br />

wie Kriseninterventions- oder »assertive outreach teams«,<br />

in denen eine intensive gemeindenahe Arbeit an und mit Patienten<br />

mit Selbst- oder Fremdgefährdung geleistet wird. Diese Feststellungen<br />

bedürfen allerdings noch einer adäquaten Evaluation; sicherlich<br />

jedoch können diese Versorgungsmodelle nicht realisiert werden,<br />

wenn es nicht gelingt, qualifiziertes und motiviertes Personal<br />

zu rekrutieren. Die zunehmenden Bedenken über die psychiatrischen<br />

Arbeitskräfte führten dazu, dass Entwicklung und Implemen-<br />

350 351<br />

tierung von besseren Fördermaßnahmen und Weiterbildungsstrategien<br />

sowie das Anbinden vom Personal zu den wichtigen Prioritäten<br />

sowohl des National Service Framework for Mental Health<br />

als auch des NHS Plans wurden (1,2).<br />

Wie oben diskutiert wurde, wird häufig über Suizide und besonders<br />

Tötungsdelikte durch psychisch <strong>Kranke</strong> in den Medien berichtet.<br />

Die Namen psychiatrischer Mitarbeiter können nach einem ernsten<br />

Zwischenfall in der Presse genannt werden, wenn sie an der<br />

Behandlung des betreffenden Patienten beteiligt waren. Ihre Namen<br />

können nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts über<br />

die besonderen Vorkommnisse auch in den nationalen Zeitungen erscheinen<br />

(29). Angst vor öffentlicher Kritik nach einer suizidalen oder<br />

homizidalen Handlung dürfte bei den psychiatrischen Mitarbeitern<br />

dazu führen, dass sie mehr auf Untersuchung und Kontrolle von eventuellen<br />

Risiken achten als auf Behandlung. Priebe (30) hat die Auswirkung<br />

der »blame culture« auf die Entwicklung des NHS beschrieben,<br />

die er mit Angst und Abwehr charakterisiert.<br />

Wie können psychiatrische Interventionen im primären<br />

Gesundheitsdienst effektiver gestaltet werden?<br />

Die meisten psychischen Probleme in UK werden im primären Gesundheitsdienst<br />

behandelt, einschließlich der großen Mehrheit der<br />

Patienten mit Depression und Angststörungen. Es gab auch Diskussion<br />

über die Wege der Zusammenarbeit zwischen primärem (hausärztlichem)<br />

und sekundärem Gesundheitsdienst, besonderes bei der<br />

Behandlung von psychisch Schwerkranken. Die volle Diskussion<br />

über dieses komplizierte Gebiet würde den Rahmen dieses Artikels<br />

sprengen. Jedoch gehen die Debatten, wie man die großen Unterschiede<br />

bei den Kompetenzen der Hausärzte, psychische Krankheiten<br />

zu erkennen und zu behandeln (31), am besten reduzieren kann<br />

ebenso weiter, wie die über den effektivsten Weg zur Förderung der<br />

Integration zwischen primärem und sekundärem Gesundheitsdienst<br />

(32). Eine der Interventionen, die von dem neuen NHS Plan vorgeschlagen<br />

wurde, ist die Weiterbildung tausender Mitarbeiter des primären<br />

Gesundheitsdienstes in Kurzzeittherapie-Methoden (z.B.<br />

psychoedukative und kognitive Verfahren).

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