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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Joachim Jungmann<br />

vereinbart werden, die transparent, vorhersehbar und verbindlich<br />

gestaltet sind.<br />

Die Aufgabenstellung des Maßregelvollzuges in der Kinderund<br />

Jugendpsychiatrie und -psychotherapie<br />

Aufgabe des Maßregelvollzuges ist die fachärztliche Behandlung von<br />

Rechtsbrechern mit akuten psychischen Erkrankungen sowie von<br />

straffällig gewordenen Personen mit Persönlichkeitsstörungen oder<br />

intellektueller Minderbegabung. Voraussetzung der Anwendung des<br />

Maßregelvollzuges ist, dass eine Wiederholungsgefahr einer schweren<br />

Straftat nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich ist. Die<br />

Behandlungsbedürftigkeit reicht als alleinige Voraussetzung für die<br />

Unterbringung im Rahmen der Maßregel nicht aus. Die Frage der<br />

Verhältnismäßigkeit der Anwendung einer Maßregelanordnung ist<br />

bei Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise zu prüfen. Auf<br />

die Anforderungen an die Qualität der forensischen Begutachtung<br />

muss nachdrücklich hingewiesen werden. Angesichts der insgesamt<br />

geringen Fallzahl von 35 bis 40 betroffenen Jugendlichen in der<br />

gesamten Bundesrepublik ist von einem nur geringen Platzbedarf<br />

für diesen Personenkreis auszugehen. Gelegentlich sind Aufgaben<br />

der Begutachtung im Rahmen einer »Unterbringung zur Beobachtung«<br />

gemäß § 73 JGG zu leisten.<br />

Anwendung freiheitsbeschränkender oder freiheitsentziehender<br />

Maßnahmen als <strong>Teil</strong> einer kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung,<br />

die sozialpädagogische Struktursetzung zur Sicherung von Diagnostik<br />

und Therapie voraussetzt<br />

Nun aber zu einem dritten und für die anstehende Frage besonders<br />

problematischen Personenkreis, für den die stationäre Krisenintervention<br />

gesucht wird. Für schwerwiegend verhaltensauffällige<br />

Kinder und Jugendliche, die in der Regel aus der bisher besuchten<br />

Schule, der Ausbildungsstelle oder aus einem bereits betreuenden<br />

Heim ausgegrenzt worden sind, wird eine eng strukturierte pädagogische<br />

und therapeutische Führung für erforderlich gehalten, die<br />

einzig im Rahmen einer »geschlossenen Unterbringung« gegeben<br />

erscheint. Für diesen Personenkreis werden kinder- und jugendpsychiatrische<br />

Kliniken in den letzten <strong>Jahre</strong>n vermehrt in Anspruch<br />

Wer ist für die geschlossene Unterbringung von Kindern<br />

und Jugendlichen zuständig? Eine Problemfeldbeschreibung<br />

160 161<br />

genommen, nachdem Plätze in geschlossenen Heimen der Jugendhilfe<br />

alternativlos abgebaut worden waren. Der besondere kinderund<br />

jugendpsychiatrische Behandlungsbedarf wird durch Verhaltensweisen<br />

der Betroffenen begründet, von denen eine erhebliche<br />

Gefährdung der eigenen Person oder anderer Personen ausgeht. Als<br />

Gefährdung werden zum einen aggressive Durchbrüche und Kontrollverluste<br />

angesehen, zum anderen wird eine langfristige Selbstgefährdung<br />

des Jugendlichen aus Symptomen wie Verwahrlosung,<br />

Schulverweigerung, Drogenmissbrauch oder gravierenden sexuellen<br />

Auffälligkeiten abgeleitet. Um solche Verhaltensstörungen von<br />

rein pädagogisch gelagerten Problemfeldern abzugrenzen, wird die<br />

Zuständigkeit des Fachgebietes der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

und Psychotherapie damit begründet, dass der dringende Verdacht<br />

besteht, dass die beobachtete Eigen- oder Fremdgefährdung ursächlich<br />

auf einer psychischen Erkrankung beruht. Die fachärztliche<br />

Prüfung dieser Vermutung bzw. die Abklärung einer dem Fehlverhalten<br />

tatsächlich zu Grunde liegenden seelischen Erkrankung gehört<br />

unzweifelhaft in das Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie.<br />

Wird der Verdacht bestätigt, so resultieren<br />

aus einer entsprechenden Diagnose Behandlungserfordernisse,<br />

wobei in einem weiteren Schritt zu klären ist, ob eine ambulante,<br />

unter Umständen andere Maßnahmen begleitende Therapie ausreicht<br />

oder ob eine Behandlung der Erkrankung unter klinischen<br />

Bedingungen erforderlich ist. Dies wird nur selten der Fall sein.<br />

Wesentlich häufiger ergibt sich die Notwendigkeit, neben der fachärztlichen<br />

Behandlung einen verlässlichen, längerfristig organisierten<br />

und strukturierten Lebensrahmen für die bzw. den betroffenen<br />

Jugendlichen sicherzustellen, was wiederum als Hilfe zur Erziehung<br />

in den Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe fällt.<br />

Es steht außer Frage, dass ohne eine Korrektur der schweren<br />

sozialen Orientierungsstörung der jungen Menschen und der damit<br />

verbundenen erheblichen Selbstwertproblematik sowohl deren<br />

Identitätsentwicklung als auch die Erziehung und die Entfaltung<br />

ihrer beruflichen Möglichkeiten schwerwiegend bedroht sind. Kinder<br />

und Jugendliche sind in ihrer Entwicklung nachhaltig gefährdet,<br />

wenn sie in einen sozialpädagogischen Rahmen, der ihnen Erziehung<br />

und Bildung ermöglichen könnte, nicht mehr einzubinden<br />

sind, und sie sich damit um die Chancen einer befriedigenden Lebens-<br />

und Berufsplanung bringen. Es handelt sich bei diesem Prob-

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