"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Allen gegenläufigen Gerüchten zum Trotz nahm Hamburg – ab 1984<br />
– keine geschlossenen Unterbringungsplätze in anderen Ländern<br />
mehr in Anspruch. Jugendliche, die nach JGG untergebracht waren<br />
(§§ 71 und 72), wurden behandelt wie andere Jugendliche auch (PE-<br />
TERS 1988). Vielmehr nahmen in dieser Zeit repressive Maßnahmen<br />
in <strong>Psychiatrie</strong> und im Strafvollzug ab – nach der Auflösung der<br />
geschlossenen Heime. Es kam nicht zu vermehrtem Zugriff durch<br />
die Jugendgerichtsbarkeit und auch nicht zu verschärften Krankheitszuschreibungen<br />
(zu Einweisungen in die <strong>Psychiatrie</strong>), auch nicht<br />
in den umliegenden Ländern, wie damals oft behauptet wurde. Die<br />
Abschaffung der geschlossenen Unterbringung stößt auf breiten<br />
Rückhalt durch die Fachkräfte der Jugendhilfe und der Jugendpsychiatrie<br />
in Hamburg. Das Platzangebot in den Jugendpsychiatrischen<br />
Kliniken wird von beiden Seiten für ausreichend angesehen.<br />
Ergebnisse<br />
Charlotte Köttgen<br />
Zwischen 1979 und 1989 nahm die Unterbringung in Heimen in<br />
Hamburg von <strong>25</strong>45 = 8,1 % auf 1988: 1654 = 7,1 % der demografischen<br />
Gruppe ab.<br />
Leitlinien und Grundsätze der Jugendhilfe<br />
� Die fachpolitischen Leitlinien wurden in dieser Zeit konsequent<br />
verfolgt und zwar sowohl von den Fachbehörden als auch von<br />
der Politik.<br />
� Die repressiven Enden wurden konsequent gekappt.<br />
� Auswärtsunterbringungen sind selten.<br />
� Orte für »die Schwierigsten« werden aufgelöst.<br />
� Individuelle Stigmatisierung soll vermieden werden.<br />
� Integrationskonzepte werden vorangetrieben.<br />
� Die großen anstaltsähnlichen Heime werden aufgelöst.<br />
� Die Förderung kind- und jugendgerechter Settings, auch für den<br />
Einzelfall wird neu entwickelt.<br />
� Hilfen werden ambulant vor stationär ausgebaut.<br />
� Hilfen werden regional und institutionsübergreifend entwickelt.<br />
Die Lebensweltorientierung, wie sie Thiersch (BUNDESMINISTERI-<br />
172 173<br />
UM FÜR JUGEND, FAMILIEN, FRAUEN UND GESUNDHEIT 1990) formuliert<br />
hatte, gilt ja nicht nur in der Jugendhilfe, sondern auch in<br />
den Bereichen sozialpsychiatrischer und sozialpsychologischer Hilfen.<br />
Entscheidend ist die gemeinsame Versorgungsverantwortung<br />
(Vernetzung, Kooperation) und Formen gemeinsamer Problemlösungskompetenz.<br />
Die Jugendpsychiatrie stellte zum damaligen<br />
Zeitpunkt im Unterschied zu heute fest, dass eine Klinik kein langfristiger<br />
oder dauerhafter Lebensort sein solle, und dass Hospitalisierungen<br />
von beiden Seiten vermieden werden müssen. Ziel sei<br />
vielmehr, eine Integration in ein möglichst normales Lebensfeld zu<br />
gewährleisten. Solange diese fachlichen und politischen Leitlinien<br />
auch übergreifend eingehalten wurden, kam es zu einem kontinuierlichem<br />
Absinken aller stationären, auch repressiven Unterbringungen<br />
in den Bereichen Jugendstrafvollzug, Jugendpsychiatrie und<br />
Jugendhilfe.<br />
Seit 1990 kommt es wieder zu einem Anstieg<br />
an stationären und repressiven Maßnahmen<br />
Die Frage, wie es dazu kommt, beschäftigt die Jugendhilfe in Hamburg.<br />
Die Hilfen zur Erziehung in stationären Einrichtungen steigen,<br />
die <strong>Psychiatrie</strong> verlangt nach Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />
es werden immer wieder geschlossene Plätze eingefordert.<br />
Immer mehr Kinder werden bei auswärtigen Trägern sowohl in<br />
Heimen als auch Jugendpsychiatrien untergebracht.<br />
Die Fakten<br />
Erfahrungen mit der Frage nach der geschlossenen<br />
Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Hamburg<br />
� Steigende stationäre, auswärtige Unterbringung (von 120 auf<br />
über 600)<br />
� Anstieg der ambulanten Hilfen, die stationäre Hilfen vermeiden<br />
sollen<br />
� Kostensteigerung der Hilfen zur Erziehung<br />
Seit 1996 sind in Hamburg die Jugendämter der Bezirke für die<br />
Hilfegewährung zuständig. Mit der regionalen Aufgabenverlagerung<br />
war die Hoffnung verbunden, die ambulanten und stationären Hilfen<br />
zu senken. Statt dessen kam es erst zu einem Anstieg der stationären,<br />
dann der ambulanten Hilfen zur Erziehung, zu einem An-