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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />

Auch die ambulante Behandlung findet im Gemeindezentrum<br />

(»CMHT office«) statt. In der Ambulanz werden rund 150 stabilere<br />

Patienten, die keine Bezugsperson haben, regelmäßig untersucht und<br />

behandelt. In der Ambulanz werden außerdem im Schnitt drei neue<br />

Patienten pro Woche einmal psychiatrisch untersucht und mit Diagnose<br />

und Therapie-Vorschlag wieder zu ihrem Hausarzt zurücküberwiesen.<br />

»Assertive outreach« und Kriseninterventionsteams<br />

Es wurden drei gemeindenahe Teams zusätzlich zu den bestehenden<br />

fünf CMHT’s in den vergangen zwei <strong>Jahre</strong>n gegründet. Das eine<br />

ist das »assertive outreach«-Team, das 65 Patienten behandelt. Es<br />

verfügt über zehn Mitarbeiter: Ein halbtags beschäftigter Facharzt<br />

für <strong>Psychiatrie</strong>, ein halbtags beschäftigter klinischer Psychologe, eine<br />

Ergotherapeutin, Gemeindefachkrankenpflegerinnen und -pfleger,<br />

Sozialarbeiter und ein Gemeindehelfer. Die Zielgruppe des Teams<br />

sind Patienten mit hoher Stationsaufnahmequote (»Drehtürpatienten«),<br />

mit der Tendenz zur Selbst- und Fremdgefährdung und nicht<br />

behandlungsbereite Patienten. Das Team arbeitet zehn Stunden pro<br />

Tag über die ganze Woche, es arbeitet hauptsächlich in Patientenwohnungen<br />

oder in anderen Gemeinde-Settings, wo die Mitarbeiter<br />

die Patienten antreffen können. Die »assertive outreach«-Mitarbeiter<br />

können in der Regel aufwändigere Angebote für ihre Patienten<br />

leisten als das CMHT. Sie machen mehrere und unterschiedliche<br />

Versuche, den Patienten zur Behandlung zu motivieren und den<br />

Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten. Sie zielen auf enge Beziehung<br />

zu den Klienten. Sie versuchen in der Zusammenarbeit mit den<br />

Betroffenen, Probleme im sozialen und finanziellen Bereich zu lösen;<br />

Haushalt, Wohnsituation, Freizeitgestaltung, Drogengebrauch,<br />

Beschäftigung und Gesundheit sind nur einige der zu berücksichtigenden<br />

Bereiche der »outreach«-Arbeit. Wenn nötig, können Patienten<br />

täglich besucht werden, um beispielsweise die Einnahme von<br />

verschriebenen Medikamenten zu sichern. Entlassung wird nur erwogen,<br />

wenn Betreute signifikante Stabilität in ihrem alltäglichen<br />

Leben erreicht haben.<br />

Auch wurden zwei Kriseninterventionsteams in den letzten zwei<br />

<strong>Jahre</strong>n gegründet, wobei das eine sich um die drei Versorgungsgebiete<br />

in Nord Islington kümmert und das andere um die übrigen<br />

340 341<br />

zwei Versorgungsregionen in Süd Islington. Jedes Team besteht aus<br />

einem Assistenzarzt der <strong>Psychiatrie</strong>, Fachkrankenpflegerinnen und<br />

-pfleger aus der Gemeinde, Sozialarbeitern und Gemeindegesundheitsarbeitern.<br />

Der für den jeweiligen Sektor zuständige Facharzt<br />

für <strong>Psychiatrie</strong> behält die klinische Verantwortung für die Patienten<br />

während der Krisenintervention. Das eine Team wird geleitet von<br />

einer <strong>Kranke</strong>nschwester, das andere von einem Sozialarbeiter. Diese<br />

Versorgungsform zielt auf Patienten mit akuter psychiatrischer<br />

Erkrankung, die ansonsten stationäre Aufnahme benötigten. Andere<br />

psychosoziale Dienste, primäre Gesundheitsdienste und die Polizei<br />

sind u.a. die Überweisungsquellen, auch Patienten selbst stellen<br />

sich dem Team vor. Die Kriseninterventionsteams arbeiten rund<br />

um die Uhr, sie führen psychiatrische Untersuchungen durch, sie<br />

behandeln und unterstützen Menschen in psychiatrischen Notfallsituationen<br />

in ihren eigenen Wohnungen oder wo auch immer eine<br />

erfolgreiche therapeutische Zusammenarbeit mit dem Patienten für<br />

möglich gehalten wird. Das Team versucht, innerhalb einer Stunde<br />

auf psychiatrische Notfälle zu reagieren, jeder Patient, für den eine<br />

stationäre Aufnahme erwogen wird, wird von dem Team untersucht,<br />

um die Durchführbarkeit einer intensiven Behandlung zu Hause zu<br />

überprüfen. Wenn die <strong>Kranke</strong>nhausaufnahme dennoch nicht vermieden<br />

werden kann, versucht das Team gemeinsam mit der Station<br />

auf eine möglichst frühe Entlassung des Patienten einzuwirken,<br />

indem es eine intensive Unterstützung zu Hause anbietet. Wenn<br />

nötig, können Mitarbeiter des Teams den Patienten mehrmals am<br />

Tag zu Hause besuchen, bei länger anhaltender Krisensituation<br />

werden soziale Beratung, klinische und Medikamentenbeaufsichtigung<br />

angeboten.<br />

Die »assertive outreach«-Teams und die Kriseninterventionsteams<br />

bilden zusammen ein integratives Versorgungsmodell, nach<br />

dem Patienten zu Mitarbeitern beider Teams Kontakt aufnehmen<br />

können, um die variablen Kompetenzen nutzend einen effektiven<br />

Behandlungsplan realisieren zu können. Während der Entstehung<br />

dieses Artikels befanden sich diese Teams in der Anfangsphase.<br />

Randomisierte Evaluation zeigt eine schubweise Zunahme der<br />

Nutzerzahl; dies bedeutet, dass sie ihre volle Leistungskapazität noch<br />

nicht erreicht haben und daher deren Auswirkung auf die Bettenbelegung<br />

noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

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