"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Ursula Brand<br />
Ziel der Umfrage war es:<br />
1. zu erfahren, wie und inwieweit Menschen mit schwerer psychischen<br />
Erkrankung durch Familienangehörige und Freundinnen<br />
und Freunde unterstützt werden;<br />
2. zu ermitteln, welche Hilfen und Unterstützungen Familien benötigen,<br />
um ihrer Aufgabe als Partnerin in der Therapie gerecht<br />
zu werden.<br />
Die Ergebnisse wurden auf dem 2. EUFAMI-Kongress in Barcelona<br />
im <strong>Jahre</strong> 1995 vorgestellt und 1996 als Übersicht »The Silent<br />
Partners« veröffentlicht (2). Es handelt sich dabei um die größte in<br />
Europa durchgeführte Umfrage unter Familien, die Angehörige mit<br />
einer schweren psychischen Erkrankung betreuen. Die Aktivitäten<br />
von EUFAMI basieren auf den Schlussfolgerungen, die die Autorinnen<br />
und Autoren aus der europäischen Umfrage gezogen haben<br />
(2):<br />
I Auf Regierungsebene müssen Maßnahmen ergriffen werden,<br />
damit die Versorgung zu Hause sowohl finanziell als auch rechtlich<br />
tragbar ist (sehr wichtig ist z.B. die gelegentliche Betreuung<br />
des kranken Angehörigen in Krisenzentren. Durch den<br />
Abbau der stationären Einrichtungen in großen <strong>Teil</strong>en Europas<br />
wird dies zunehmend wichtiger).<br />
<strong>II</strong> Wissenschaftliche und epidemiologische Untersuchungen von<br />
psychischen Erkrankungen sind nötig, um die Krankheiten besser<br />
zu verstehen und die Betroffenen adäquat zu unterstützen.<br />
<strong>II</strong>I Unverzichtbar sind Familien-Selbsthilfe-Verbände, die die Familienangehörigen<br />
von psychisch kranken Menschen unterstützen.<br />
Diese Selbsthilfe hat folgende drei Funktionen: (a) Motivation<br />
und Entlastung der betroffenen Familienmitglieder, (b)<br />
Kampagnen mit den Ziel Unterstützung in den Medien und bei<br />
Behörden zu bekommen und (c) Sensibilisierung von Professionellen<br />
.<br />
IV Für den Aufbau leicht zugänglicher ambulanter Einrichtungen<br />
ist enorm viel Kreativität notwendig (gerade in kritischen Situationen<br />
sind viele Menschen auf unkomplizierten Zugang zu<br />
professioneller Unterstützung angewiesen).<br />
V Wichtig sind nach wie vor umfassende und verständliche Informationen<br />
über die medikamentöse Behandlung und damit verbundenen<br />
Nebenwirkungen.<br />
Europäische Perspektiven – Aus Sicht der Familien<br />
266 267<br />
Mitte der 90er-<strong>Jahre</strong> haben MAGLIANO et al. in fünf europäischen<br />
Ländern eine Untersuchung durchgeführt, welche sich mit der familiären<br />
Belastung sowie mit sozialen und klinischen Faktoren befassen,<br />
die Einfluss auf die Art von Bewältigungsstrategien von Familien<br />
haben, die Angehörige mit z.B. einer Schizophrenie betreuen<br />
(3, 4). Wegen der unterschiedlichen Studiendesigns ist ein direkter<br />
Vergleich mit der EUFAMI-Umfrage nicht möglich. Die aus dieser<br />
Studie gezogenen Schlüsse decken sich aber mit denen der EUFAMI-<br />
Umfrage. In allen Zentren war die Belastung der Angehörigen höher,<br />
wenn sie nur über geringe Bewältigungsressourcen verfügten<br />
und wenig soziale Unterstützung vorhanden war. Es stellt sich somit<br />
die Frage, wie diesen Familien bestmöglich geholfen werden<br />
kann (3). Folgende Möglichkeiten bieten sich an:<br />
I Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Probleme von Menschen<br />
mit einer psychischen Erkrankung zur Bekämpfung von Stigma<br />
(4);<br />
<strong>II</strong> Unterstützung der Familien im Sinne einer Verbesserung des<br />
sozialen Netzes von Angehörigen (4); und<br />
<strong>II</strong>I Unterstützung beim Aufbau von Selbsthilfegruppen von Familienangehörigen<br />
(4).<br />
Informelle EUFAMI-Umfrage 2000<br />
Bei der Tagung der AKTION PSYCHISCH <strong>Kranke</strong> wurden die Entwicklung<br />
und der Stand der <strong>Psychiatrie</strong> in neun europäischen Ländern<br />
aus der Sicht von Professionellen dargestellt. Die betroffenen<br />
Familien, die mit dem Versorgungssystem konfrontiert sind, beurteilen<br />
die drastischen Veränderungen und Verbesserungen natürlich<br />
aus ihrer Erfahrung sicher anders. Um die derzeitigen Mängel aus<br />
Sicht der Angehörigen dokumentieren zu können, wurde innerhalb<br />
von EUFAMI eine informelle Umfrage initiiert. Von insgesamt elf<br />
nationalen Familienorganisationen, die per E-Mail angesprochen<br />
wurden, haben sieben geantwortet (Vereinigtes Königreich – d.h.<br />
England, Schottland und Wales –, Schweiz, Norwegen, Spanien und<br />
Deutschland). Leider haben die osteuropäischen Länder nicht reagiert.<br />
Die zusammengefassten Ergebnisse beziehen sich daher nur<br />
auf die Aussagen von Familienorganisationen aus Westeuropa.