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"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.

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Thomas Becker und José Luis Vàzquez-Barquero Die europäische Perspektive psychiatrischer Reformen<br />

der Gesundheitsversorgung, des psychiatrischen Versorgungssystems,<br />

der Versorgungsprozesse und -Ergebnisse. Die Angaben in den<br />

Tabellen beruhen auf Expertinneninformationen durch die Autorinnen<br />

und Autoren der Beiträge beim internationalen Symposium 1 .<br />

Angesichts der Vielzahl von Themen und Themenbereichen, welche<br />

in den Tabellen behandelt werden, ergibt sich zwangsläufig, dass die<br />

Datenbasis für die Antworten aus den verschiedenen Ländern und<br />

zu den verschiedenen Fragekomplexen unterschiedlich ist und von<br />

nationalen Statistiken zu Expertinneneindrücken und -meinungen<br />

reicht. Daher sollten die Tabellen mit entsprechender Vorsicht und<br />

unter Berücksichtigung dieser Heterogenität der Datenbasis diskutiert<br />

werden. Der Zweck der Tabellen ist, anhand eines einfachen<br />

und einheitlichen Rasters eine ungefähre Idee von dem Maß an Homogenität<br />

und Variabilität in den verschiedenen europäischen Ländern<br />

zu geben. Dieser Eindruck mag als Hintergrund dienen, wenn<br />

die einzelnen Beiträge des Supplements der Acta Psychiatrica Scandinavica<br />

beziehungsweise die Auswahl der im vorliegenden Band<br />

veröffentlichten Beiträge gelesen werden.<br />

Ergebnisse<br />

Tabelle 1 führt summarische Indikatoren der nationalen sozialen und<br />

Gesundheitsversorgungssysteme sowie psychiatrischen Versorgungssysteme<br />

auf. Die Bevölkerungen der behandelten Länder reichen<br />

von 9 Millionen (Schweden) bis zu etwa 149 Millionen (Russland),<br />

es finden sich Gesundheitssysteme, die auf dem Versicherungsprinzip<br />

basieren sowie Gesundheitsversorgungssysteme, die nach dem Modell<br />

eines nationalen Gesundheitsdienstes funktionieren. Die Finanzierungsmodalitäten<br />

schließen Wohlfahrts- oder Transferzahlungen<br />

aus verschiedenen Quellen, <strong>Kranke</strong>nversicherungsleistungen<br />

sowie private Geldzahlungen ein. Die durchschnittliche Versorgung<br />

mit Psychiaterinnen und Psychiatern reicht von 5,5 bis 20 pro<br />

100.000 Einwohninnen und Einwohnern, etwa zwischen 5 % und<br />

10 % aller Gesundheitsausgaben fließen in die <strong>Psychiatrie</strong>versorgung.<br />

Ort stationärer Behandlung sind zumeist psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhäuser,<br />

wo die Zahl der Betten allerdings deutlich abgenommen<br />

hat sowie psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern.<br />

Es hat einen Trend hin zu neuen Formen stationärer Versorgung<br />

gegeben, das wichtigste Modell sind hier bettenführende Abteilun-<br />

278 279<br />

gen an Allgemeinkrankenhäusern. Die meisten Reformen haben auf<br />

eine Verminderung der Rolle der alten psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäuser<br />

im Versorgungssystem gezielt, mehrere nationale Reformprogramme<br />

haben die Schließung psychiatrischer <strong>Kranke</strong>nhäuser als<br />

eines ihrer Ziele genannt. Nichtsdestotrotz halten psychiatrische<br />

<strong>Kranke</strong>nhäuser, in denen an den meisten Orten die strukturellen<br />

Bedingungen und therapeutischen Standards erheblich verbessert<br />

wurden, nach wie vor in den meisten Ländern psychiatrisch stationäre<br />

Behandlung, auch die psychiatrische Akutbehandlung vor. Die<br />

Versorgung mit Langzeit-Wohnangeboten ist sowohl zwischen den<br />

Ländern als auch innerhalb der einzelnen Länder unterschiedlich<br />

und umfasst Wohn- und Pflegeheime, Gruppenwohnungen und<br />

Häuser mit betreutem Wohnen unterschiedlicher Größe, Formen<br />

dezentralen betreuten Wohnens sowie Wohneinrichtungen in psychiatrischen<br />

<strong>Kranke</strong>nhäusern. Informelle Hilfen und Betreuung durch<br />

Familienangehörige waren und sind essenzielle Elemente der <strong>Psychiatrie</strong>-Reformen.<br />

Allerdings wird von informellen Helferinnen und<br />

Helfern sowie Angehörigen sehr oft beklagt, dass ihnen nur unzureichende<br />

Unterstützung zuteil wird. Die Verfügbarkeit stationärer<br />

psychiatrischer Behandlungsplätze (Betten) variiert von 17 pro<br />

100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (ausschließlich psychiatrische<br />

Akutbetten) in Italien bis zu 165 pro 100.000 Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern in Frankreich. Alle genannten Länder verfügen<br />

über gemeindepsychiatrische Zentren, alle stützen sich in der<br />

einen oder anderen Weise (nicht immer mit allen Komponenten des<br />

Versorgungssystems) auf das Prinzip des Sektors oder Einzugsgebietes.<br />

Die Haupteinnahmequellen für Menschen mit ernsten und<br />

überdauernden psychiatrischen Erkrankungen sind unterschiedlich,<br />

sie umfassen zumeist Wohlfahrts-Transferzahlungen, Erwerbsunfähigkeits-<br />

und Invaliditätsrenten. Zusammenfassend gibt es in der<br />

Struktur der Versorgungssysteme sowohl Ähnlichkeiten als auch<br />

substanzielle transnationale (und gewichtige regionale) Variationen.<br />

Tabelle 2 beschreibt einige Aspekte des Prozesses psychiatrischer<br />

Reformen. Lokale und regionale Variation wird in allen Ländern beschrieben,<br />

jedoch benennen die Experinnen und Experten aus mehreren<br />

Ländern auch einheitliche nationale Trends. Die psychiatrische<br />

Versorgung ist auf erhebliches Medieninteresse in den meisten Ländern<br />

gestoßen, in allen besprochenen Ländern hat es in dem zur Rede<br />

stehenden Zeitraum unterschiedliche Initiativen der Regierungspo-

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