"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Wer ist aus der Sicht der Jugendhilfe für die geschlossene<br />
Unterbringung von Kindern und Jugendlichen zuständig?<br />
Helga Schmidt-Nieraese<br />
Jugendhilfe soll gemäß § 1 SGB V<strong>II</strong>I<br />
� junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung<br />
fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden<br />
oder abzubauen,<br />
� Eltern bei der Erziehung beraten und unterstützen,<br />
� Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen und<br />
� dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen<br />
und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche<br />
Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.<br />
Vor diesem Hintergrund besteht die Zuständigkeit der Jugendhilfe<br />
besonders bei schwierigsten Einzelfällen darin, im Zusammenwirken<br />
mit anderen Fachkräften, die im Einzelfall notwendige Hilfe zu<br />
entwickeln und dabei die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie<br />
deren Eltern zu beteiligen. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz<br />
verlangt Individualhilfe von der Jugendhilfe. Das gilt auch für die<br />
besonders schwierigen Einzelfälle. Die Frage, wie solche individuellen,<br />
bedarfsgerechten Hilfen aussehen und mit wem sie entwikkelt<br />
werden, sollte nicht mit dem plakativ benutzten Begriff der<br />
geschlossenen Unterbringung verknüpft werden. Jugendhilfe ist für<br />
die Gewährung und Ausgestaltung der Hilfen zuständig, soll diese<br />
jedoch im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB V<strong>II</strong>I im Zusammenwirken<br />
mit anderen Fachkräften entwickeln, d.h. sie ist auf<br />
die Mitwirkung der Kinder- und Jugendpsychiatrie angewiesen.<br />
Voraussetzung für die gemeinsame Suche nach Entwicklung von<br />
Hilfen in den schwierigsten Einzelfällen ist daher, dass wir nicht<br />
länger Zuständigkeits- und/oder Schuldzuweisungen zwischen den<br />
Institutionen pflegen, sondern<br />
� die gemeinsame Verantwortung erkennen, auf diese Weise<br />
� Entlastung für den Einzelnen schaffen und so<br />
� Möglichkeiten, Krisensituationen bewusst aushalten zu können,<br />
herstellen.<br />
Aushalten heißt nicht resignieren, sondern sich gemeinsam Zeit<br />
Wer ist aus der Sicht der Jugendhilfe für die geschlossene<br />
Unterbringung von Kindern und Jugendlichen zuständig?<br />
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nehmen, die für die Entwicklung einer angemessenen Hilfeform<br />
nötig ist. Aushalten heißt auch, eigene Hilflosigkeit zuzugeben und<br />
zu thematisieren, anstatt eine Hilfe nach der anderen auszuprobieren.<br />
Aushalten heißt weiter, das Scheitern eigener Bemühungen zu<br />
ertragen und nicht die Karriere der »Verlegungen« in angeblich immer<br />
spezialisiertere und kompetentere Einrichtungen zu fördern und<br />
am Ende eines solchen von Hilflosigkeit der Helferinnen und Helfer<br />
bestimmten Weges nach geschlossener Unterbringung zu rufen.<br />
Wo und durch wen finde ich in schwierigen Einzelfällen<br />
Unterstützung? – Zusammenfassung der Diskussion<br />
In der sich anschließenden Diskussion ging es vorrangig um die<br />
Frage: Wo und durch wen finde ich in schwierigen Einzelfällen Unterstützung?<br />
Insbesondere auf Seiten der <strong>Teil</strong>nehmerinnen und <strong>Teil</strong>nehmer<br />
aus psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäusern in den neuen Bundesländern<br />
wurde formuliert, dass Kinder und Jugendliche in der<br />
Erwachsenenpsychiatrie untergebracht werden und dort Informationen<br />
über Strukturen der Jugenhilfe und mögliche Ansprechpartnerinnen<br />
und Partnern fehlen. Die regionale Versorgungsverpflichtung<br />
– wie die Jugendhilfe sie hat – fehle in der <strong>Psychiatrie</strong> vielerorts.<br />
Die Kooperation zwischen Erwachsenenpsychiatrie und Kinderund<br />
Jugendpsychiatrie weise insbesondere dort Mängel auf, wo<br />
Kinder und Jugendliche in Krisensituationen geschlossen in der<br />
Erwachsenenpsychiatrie untergebracht würden, obwohl es am gleichen<br />
Ort kinder- und jugendpsychiatrische Betten gebe. Es bestand<br />
unter den ca. 20 <strong>Teil</strong>nehmerinnen und <strong>Teil</strong>nehmern des Symposiums<br />
ein hohes Interesse,<br />
� Informationen und Orientierungshinweise zu erhalten, die die<br />
Kooperation zwischen Jugendhilfe und <strong>Psychiatrie</strong> ermöglichen<br />
und fördern (Adressen, Ansprechpartnerinnen und -partnern,<br />
Angebote u.a.),<br />
� der Frage gemeinsam nachzugehen, wie es beiden Professionen<br />
frühzeitig gelingen kann, schon bei jüngeren Kindern herauszufinden,<br />
wo und wann die Gefahrenmomente am Höchsten<br />
sind und wie geeignete Hilfen ausgestaltet sein können und sollten,<br />
� die Diskussion, wie sie im Rahmen des Symposiums möglich<br />
war, grundsätzlich fortzuführen.