"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sozialrechtliche Voraussetzungen und Perspektiven:<br />
Die Behandlungsleistungen der verschiedenen<br />
Professionen in der psychiatrischen Klinik sind<br />
grundsätzlich jetzt auch ambulant realisierbar<br />
Jürgen Fritze<br />
Ausweislich des Gesundheitsberichtes für Deutschland (1998) fallen<br />
rund 80 % der direkten Krankheitskosten der psychiatrischen<br />
Versorgung im <strong>Kranke</strong>nhaus an. Laut Angaben des Bundesverbandes<br />
der Betriebskrankenkassen belief sich die Summe der ambulanten<br />
und stationären Kosten für psychiatrische Behandlung (1994)<br />
auf 37,7 Mrd. DM. Danach müssten sich die Kosten der stationären<br />
Behandlung auf ca. 30 Mrd. DM belaufen. Das würde eine unverändert<br />
außerordentliche Dominanz des stationären Sektors in der<br />
psychiatrischen Versorgung bedeuten. Dies obwohl seit 1970 die<br />
Bettenzahl von ca. 118.000 auf 56.392 im <strong>Jahre</strong> 1998 abgenommen<br />
hat, also um ungefähr 52 %. Die Grundlagen dieser Kostendaten<br />
wurden leider nicht publiziert, sodass sie sich einer direkten<br />
Überprüfung entziehen. Geht man von den vom statistischen Bundesamt<br />
publizierten Fallzahlen und Verweildauern sowie von den<br />
Tagespflegesätzen aus, so sind die Daten nicht ohne weiteres nachzuvollziehen:<br />
ICD Jahr Fälle Verweil- Tages- <strong>Jahre</strong>skosten<br />
dauer pflege-<br />
(Tage) satz<br />
V. Psychiatrische 290-319 1994 726.962 40,7 308 DM 9.110.217.783 DM 10,2 %<br />
Krankheiten<br />
Alle Krankheiten alle 1994 14.455.386 13,0 476 DM 89.699.096.196 DM<br />
V. Psychiatrische 290-319 1998 838.203 27,8 387 DM 9.010.711.404 DM 9,7 %<br />
Krankheiten<br />
Alle Krankheiten alle 1998 15.939.026 10,8 543 DM 93.366.762.165 DM<br />
Dies können selbstverständlich nur grobe Schätzungen sein. Jedenfalls<br />
ergeben sich Diskrepanzen, die hier nicht aufzulösen sind.<br />
Gleichzeitig bleibt die Tatsache bestehen, dass der Anteil der vollstationären<br />
Behandlung an der psychiatrischen Versorgung trotz der<br />
jahrelangen Bemühungen um »Enthospitalisierung« noch hoch ist.<br />
54 55<br />
Es besteht weitgehender Konsens und ist plausibel, dass – entsprechend<br />
des ärztlichen Grundprinzips des »primum nihil nocere« –<br />
vollstationäre Behandlung einen schwerwiegenden Eingriff in das<br />
Leben der Betroffenen darstellt, der sich nur dann rechtfertigt, wenn<br />
und solange das therapeutische Ziel nur so erreicht werden kann.<br />
Grundsätzlich soll die Therapie die <strong>Kranke</strong>n so wenig wie möglich<br />
aus ihrem Lebensfeld herausnehmen. Damit stimmt die sozialrechtliche<br />
Vorgabe »ambulant vor stationär« überein, auch wenn ihr primär<br />
ökonomische Motive zu Grunde liegen.<br />
Betrachtet man für die zehn quantitativ führenden (insgesamt<br />
72 % der Fälle des <strong>Jahre</strong>s 1998) Indikationen die Entwicklung der<br />
Fallzahlen der <strong>Jahre</strong> 1994–1998 (Abb. 1), so führt in den Absolutzahlen<br />
die Alkoholabhängigkeit gefolgt von den schizophrenen Psychosen.<br />
Die prozentual größte Steigerung ist bei den Drogenpsychosen<br />
(84 %) zu verzeichnen, gefolgt von Medikamenten- bzw.<br />
Drogenabhängigkeit (54 %), Alkoholpsychosen (37 %), anderen<br />
nichtorganischen Psychosen (19 %), senilen und präsenilen organischen<br />
Psychosen (15 %), schizophrenen Psychosen (8 %), »Neurosen«<br />
(7 %), affektiven Psychosen (7 %), Alkoholabhängigkeit<br />
(5 %).<br />
Jahr<br />
180000<br />
160000<br />
140000<br />
120000<br />
100000<br />
80000<br />
60000<br />
40000<br />
20000<br />
Sozialrechtliche Voraussetzungen und Perspektiven<br />
0<br />
Fahlzahlentwicklungen im <strong>Kranke</strong>nhaus<br />
1994 1995 1996 1997 1998<br />
303 Alkoholabhängigkeit<br />
295 Schizophrene Psychosen<br />
296 Affektive (manische,<br />
depressive) Psychosen<br />
300 Neurosen<br />
304 Medikamenten-,<br />
Drogenabhängigkeit<br />
290 Senile und präsenile<br />
organische Psychosen<br />
291 Alkoholpsychosen<br />
298 Andere nichtorganische<br />
Psychosen<br />
297 Paranoide Syndrome<br />
292 Drogenpsychosen<br />
Abb. 1: Fallzahlentwicklung im <strong>Kranke</strong>nhaus für die quantitativ führenden<br />
Indikationen (insgesamt 72 % der Fälle des <strong>Jahre</strong>s 1998; statistisches<br />
Bundesamt)