"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Lorenzo Burti<br />
� Zusammenarbeit/Koordination mit der örtlichen Verwaltung;<br />
� Zusammenarbeit/Koordination mit gemeinnützigen Organisationen;<br />
� Beteiligung von Nutzerinnen- und Angehörigengruppen;<br />
� Einführung Computer-gestützter Systeme zur Datenerfassung;<br />
� Evaluation der Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit der Maßnahmen;<br />
� Evidenz-basierte Medizin;<br />
� Qualitätssicherung;<br />
� Standards für die Zertifizierung von Diensten;<br />
� Planung von Maßnahmen;<br />
� Festsetzung von Richtlinien;<br />
� Reorganisation der Versorgungsangebote für Kinder und Jugendliche.<br />
In den 1990er-<strong>Jahre</strong>n wurden in ganz Italien ein umfassendes Netzwerk<br />
stationärer und außerstationärer Dienste aufgebaut sowie verschiedene<br />
gemeindepsychiatrische Einrichtungen eingeführt, wie<br />
z.B. therapeutische Wohngemeinschaften, Tagesstätten und beschützte<br />
Werkstätten, von denen am Anfang viel zu wenige vorhanden<br />
waren. Eine vor kurzem durchgeführte Übersicht von GIRO-<br />
LAMO & COZZA (2) zeigt ein umfassendes Netzwerk von öffentlichen<br />
und privaten Diensten auf, die das ganze Land umfassen, ohne die<br />
drastischen Unterschiede zwischen den Regionen, wie sie noch <strong>Jahre</strong><br />
nach der Reform beklagt worden waren. Das Versorgungsangebot<br />
umfasst 10.083 psychiatrische akut-stationäre Betten (4.084 an<br />
Allgemeinkrankenhäusern, 7 pro 100.000 Einwohnerinnen und<br />
Einwohner, damit nahe am Standard von empfohlenen 10 pro<br />
100.000; 404 in Universitäts-Abteilungen; 5.595 im privaten Sektor)<br />
mit einem Gesamtanteil von 17 pro 100.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohner. Die Aufnahmeraten der psychiatrischen Stationen<br />
in den Allgemeinkrankenhäusern haben weiterhin abgenommen: 278<br />
pro 100.000 im Jahr 1987, 222 im Jahr 1994, während der entsprechende<br />
Anteil im privaten Sektor konstant blieb: 155 im Jahr 1975,<br />
140 im Jahr 1994. Bemerkenswerterweise hat sich die Zahl der<br />
Zwangseinweisungen deutlich verringert (57 pro 100.000 Einwohnerinnen<br />
und Einwohner – 50 % aller Aufnahmen im Jahr 1977, 24<br />
pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 1984 – 12 %<br />
aller Aufnahmen). Es gibt 695 Zentren für Seelische Gesundheit,<br />
Die italienische <strong>Psychiatrie</strong>-Reform über 20 <strong>Jahre</strong> später<br />
326 327<br />
1,81 pro 150.000 Einwohnerinnen und Einwohner (die Größenordnung<br />
eines typischen örtlichen Versorgungssektors).<br />
Angehörigenorganisationen hatten ihre Unzufriedenheit mit<br />
dem Gesetz Nr. 180 geäußert, vor allem wegen der knappen gemeindepsychiatrischen<br />
Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten in den ersten<br />
<strong>Jahre</strong>n der Reform. Allerdings unterstützten sie die vollständige<br />
Implementierung der Reform und nicht deren Abschaffung. Angehörigenorganisationen<br />
werden regelmäßig durch die nationalen und<br />
regionalen Regierungen bezüglich der Planung und Vorbereitung von<br />
Gesetzen konsultiert und ihre Vertreterinnen und Vertreter nehmen<br />
an den Beratungsgremien der Departments für Seelische Gesundheit<br />
teil. 1993 vereinigten sich verschiedene Organisationen zur<br />
U.N.A.S.A.M., der Nationalen Union der Vereinigungen für Seelische<br />
Gesundheit, die sowohl national als auch international sehr aktiv<br />
ist [s.a.: www.unasam.it]. Die Selbsthilfebewegung von (Ex-)Nutzerinnen<br />
und Nutzern/ <strong>Psychiatrie</strong>-Erfahrenen verbreitet sich ebenfalls<br />
in ganz Italien. Sie ist eher auf die Zusammenarbeit mit dem<br />
psychiatrischen Establishment ausgerichtet als auf Opposition.<br />
In den letzten <strong>Jahre</strong>n wurde die <strong>Psychiatrie</strong> sowie der ganze<br />
nationale Gesundheitsdienst maßgeblich von der »managed care«-<br />
Revolution beeinflusst. Psychiatrische Dienste sind mehr als andere,<br />
lukrativere und politisch attraktivere medizinische Einrichtungen<br />
gefährdet und müssen sich einem härteren Kampf um<br />
Fördermittel und Personal stellen als jemals zuvor. Aus diesem und<br />
noch weiteren Gründen gewinnen gemeinnützige Organisationen in<br />
Ergänzung zum öffentlichen Systems insbesondere in den Bereichen<br />
Beschäftigung (Arbeitskooperativen) und Selbsthilfe an Bedeutung.<br />
Das endgültige Aus des psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhauswesens in<br />
Italien wurde letztlich durch das Haushaltsgesetz des Haushaltsjahres<br />
1996 erreicht, das ursprünglich die Schließung aller psychiatrischen<br />
<strong>Kranke</strong>nhäuser bis Ende 1996 festlegte, die später auf den<br />
31. März 1998 verschoben wurde. Ironischerweise waren die wirtschaftliche<br />
Rezession und die völlig neue Sorge um die Reduzierung<br />
von Gesundheitskosten an einer Stelle erfolgreich, wo der gute Wille<br />
fast zwei Jahrzehnte lang gescheitert war! Zwischen 1996 und 1998<br />
wurden 26 psychiatrische <strong>Kranke</strong>nhäuser offiziell geschlossen und<br />
die Anzahl der Patientinnen und Patienten fiel von 17.068 (am<br />
31. Dezember 1996) auf 7.704 (4.769 in öffentlichen und 2.935 in<br />
privaten psychiatrischen <strong>Kranke</strong>nhäusern am 31. März 1998).