"25 Jahre Psychiatrie-Enquete" Teil II - Aktion Psychisch Kranke e.V.
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Sonia Johnson, Martin Zinkler und Stefan Priebe Psychiatrische Gesundheitsversorgung in Großbritannien<br />
liche Unterbringungsraten und die Proportion der Patienten mit<br />
psychotischen Störungen weit über dem nationalen Durchschnitt<br />
liegen (3). Nationale Statistiken aus den <strong>Jahre</strong>n 1999/2000 zeigen,<br />
dass von den 186.290 NHS-<strong>Kranke</strong>nhausbetten 34.173 den psychisch<br />
<strong>Kranke</strong>n und 6.834 den Geistesbehinderten zugeteilt waren<br />
(7). Abgesehen von den Stationsbetten für Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
und Gerontopsychiatrie, gab es 14.118 allgemeinpsychiatrische<br />
Akutbetten, 1.882 forensische und 4.305 Langzeitbetten.<br />
90,5 % der Akutbetten, 92,9 % der forensischen und 86,6 % der<br />
Langzeitbetten waren belegt. Drei <strong>Jahre</strong> vor dieser Erhebung, d.h.<br />
1996/1997 standen 37.640 Betten den psychisch <strong>Kranke</strong>n zur Verfügung,<br />
einschließlich 14.504 Akutbetten für Erwachsene unter 65<br />
<strong>Jahre</strong>, 5.424 Langzeitbetten und 1.575 forensisch psychiatrische<br />
Betten. Dies bedeutet, dass sich eine geringe Bettenreduktion im<br />
Langzeitbereich ergeben hat, dass aber die akutpsychiatrischen und<br />
forensischen Betten konstant blieben.<br />
Die Bettenbelegungsstatistik in den <strong>Jahre</strong>n 1999/2000 ergab,<br />
dass in England 155.121 psychisch kranke Erwachsene unter 65<br />
<strong>Jahre</strong> <strong>Kranke</strong>nhausaufnahme fanden (8). Die Durchschnittsbettenbelegzeit<br />
betrug 52 Tage, wobei der Median nur 17 Tage betrug. Die<br />
häufigsten Diagnosen mit insgesamt 36 806 Aufnahmen waren Schizophrenie,<br />
schizotype und Wahnstörungen (Durchschnittsaufenthalt<br />
31 Tage, 59 % der Patienten waren männlich). Affektive Störungen<br />
machten 54.515 Aufnahmen aus (63 % weiblich, Durchschnittsaufenthaltszeit<br />
31 Tage) und neurotische, Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen<br />
30.418 Aufnahmen (57 % weiblich, Durchschnittsaufenthalt<br />
acht Tage).<br />
In Bezug auf die psychiatrischen Dienste in der Gemeinde ist<br />
die Versorgungsstruktur in Islington repräsentativ für Orte, an denen<br />
Versorgungsmodelle und politische Direktiven (aus Ministerium<br />
beziehungsweise NHS-Leitung) relativ schnell implementiert<br />
wurden. Die Sektorisierung, Betreuung durch multidisziplinäre psychiatrische<br />
Gemeindeteams und Anwendung von CPA sind nahezu<br />
universelle Bestandteile der psychiatrischen Gemeindeversorgung<br />
in England. Sektorisierung entstand in den meisten Gebieten im<br />
<strong>Jahre</strong> 1980, obwohl sie damals noch nicht in die Regierungspolitik<br />
offiziell aufgenommen worden war (9). Ähnlich hatten sich multidisziplinäre<br />
psychiatrische Gemeindeteams, die den größeren <strong>Teil</strong><br />
ihrer Arbeit im Rahmen von Hausbesuchen verrichteten, bereits<br />
344 345<br />
durchgesetzt, als sie dann endlich im Jahr 1995 Bestandteil der<br />
Regierungspolitik wurden (10). Es hatte in mehreren Orten jedoch<br />
einige <strong>Jahre</strong> gedauert, bis sich diese Teams in ihren jeweiligen Versorgungsregionen<br />
niederlassen konnten, sodass sie in einigen Orten<br />
lange Zeit vom lokalen <strong>Kranke</strong>nhaus aus ihre Arbeit leisten<br />
mussten. Beispielsweise zeigte eine Untersuchung im Jahr 1996, dass<br />
nur 9 von 27 Gemeinden (örtliche Gebietskörperschaften) über<br />
Gemeindezentren für psychische Gesundheit (CMHT’s) in jedem<br />
geografisch definierten Sektor (»small geographical area«) verfügten,<br />
während drei Bezirke keine derartigen Zentren hatten (11). Der Grad<br />
der Zusammenarbeit zwischen psychiatrischen Diensten des NHS<br />
und Sozialdiensten unterscheidet sich auch von Ort zu Ort. Die<br />
Regierungspolitik verlangt nun Pläne zur engeren Integration von<br />
Sozialdiensten und NHS psychiatrischen Diensten, so wie oben am<br />
Beispiel Islington beschrieben wurde. Jedoch gibt es beträchtliche<br />
Variation in dem Verwirklichungsgrad dieser Pläne. Das Bezugspersonensystem<br />
(»care-coordinator system«) und die regelmäßige<br />
Überprüfung gesundheitlicher und sozialer Bedürfnisse (»reviews of<br />
needs«) scheinen nun im Rahmen des CPA überall in England realisiert<br />
zu werden.<br />
Es gibt keine Untersuchungen über die Arbeit der Kriseninterventionsteams<br />
und »assertive outreach teams«, obwohl sich viele<br />
solcher Teams in den letzten fünf <strong>Jahre</strong>n zunehmend etabliert haben.<br />
Wie unten diskutiert wird, wird die Regierung diese Versorgungsmodelle<br />
weit verbreiten.<br />
Tageszentren und Wohneinrichtungen für psychisch <strong>Kranke</strong>,<br />
deren Entwicklung sehr langsam stattfand, sind jetzt generell erhältlich,<br />
obwohl sie sich in Form und Qualität von Ort zu Ort beträchtlich<br />
unterscheiden. Diese Art von psychiatrischer Versorgung wurde<br />
nicht auf der sektorialen Ebene geplant. Akuttagesklinken sind<br />
in einigen Orten als Komponente der psychiatrischen Notfallversorgung<br />
verfügbar, aber fehlen in anderen Orten wiederum ganz.<br />
Es gibt gegenwärtig ein großes Interesse an dem »Modell der häuslichen<br />
Krisenhaus-Betreuung« (»crisis house model of care«), dargestellt<br />
am Beispiel des Frauenhauses in Islington. Dieses Modell<br />
ist allerdings noch nicht weit verbreitet.