Freizeitgesellschaft zwischen Umwelt, Spaß und ... - Öko-Institut eV
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Sigurd Agricola · Wirtschaftsfaktor Freizeitindustrie<br />
158<br />
Freizeit als gesellschaftliches, ökonomisches <strong>und</strong> ökologisches<br />
Phänomen<br />
Die ursprünglichen ökonomische Ziele für Freizeit waren die Erhaltung<br />
der Arbeitskraft, die Erholung <strong>und</strong> die Regeneration. Freizeit ist Teil der<br />
(Um-)Verteilung von Ergebnissen wirtschaftlicher Tätigkeit <strong>und</strong> daher eng<br />
verb<strong>und</strong>en mit der durch Technologie <strong>und</strong> Wirtschaftstätigkeit erreichten<br />
Produktivität. In<strong>zwischen</strong> kann es sich die (deutsche) Gesellschaft leisten,<br />
das halbe Leben ihrer Mitglieder als Freizeit (im Sinne von erwerbsarbeitsfreier<br />
Zeit) zu gestalten: Von der Lebenszeit mit 660.000 St<strong>und</strong>en sind<br />
350.000 St<strong>und</strong>en erwerbsarbeitsfreie Zeit, 220.000 St<strong>und</strong>en Schlaf,<br />
90.000 St<strong>und</strong>en Arbeit (Zellmann 2001). Solche Durchschnittswerte dürfen<br />
aber über die ungleiche Verteilung freier Zeiten <strong>und</strong> Geldmittel nicht hinwegtäuschen.<br />
Viele Arbeitende arbeiten z.T. unentgeltlich über die tariflichen<br />
Arbeitszeiten hinaus. Viele Arbeitswillige werden mit gekürzten<br />
Mitteln in freie Zeit geschickt.<br />
Freizeit war besonders in Deutschland immer mehr als nur ein Zeitquantum.<br />
Als eine der Bedingungen für das Wohlbefinden einer modernen<br />
Gesellschaft bedarf sie eines komplexen Systems von Bewusstsein,<br />
Werten, Handlungsalternativen, <strong>Umwelt</strong>gestaltung, Verfügbarkeit von Informationen,<br />
Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen, Kommunikationsmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Mobilität, die dem Einzelnen ein Leben nach seinen Vorstellungen<br />
ermöglichen (sollen). Freizeit geht weit über das Lebensnotwendige<br />
hinaus <strong>und</strong> ist verb<strong>und</strong>en mit Bewegungs-, Kommunikations- <strong>und</strong> Vereinigungsfreiheit<br />
für alle. Freizeit steht als nicht streng abgegrenztes Feld<br />
häufig in „Bindestrich-Beziehungen“: Freizeit-Politik, Freizeit-Wirtschaft,<br />
Freizeit-Industrie (allerdings sind solche Zuordnungen meist theoretischer<br />
Art!). Mehr als andere Lebensbereiche ist Freizeit mit dem gesellschaftlichen<br />
Wandel verb<strong>und</strong>en. Stilbildend für Freizeitgestaltung sind die<br />
Mittelschichten der Industrieländer, denen auch die für Analyse <strong>und</strong> Planung<br />
zuständigen Wissenschaftler <strong>und</strong> Experten angehören (Spode 2001).<br />
Freizeit als Zeit für Konsum <strong>und</strong> als Anstoß für wirtschaftliche Tätigkeit<br />
wird zum besonderen Wirtschaftsfaktor. Für die Freizeitgestaltung werden<br />
sowohl Existenz sichernde <strong>und</strong> traditionelle Tätigkeiten aufgenommen <strong>und</strong><br />
umgeformt (z.B. „Almauftrieb“ in „Trekking“, „Handelsreise“ <strong>und</strong> „Entdeckungsreise“<br />
in „Abenteuerreise“), Arbeitsgeräte <strong>und</strong> -räume für Freizeitnutzung<br />
adaptiert als auch völlig neue Aktivitäten <strong>und</strong> Angebote entwickelt.<br />
In den letzten 40 Jahren wurden die schon geschaffenen Freizeitmöglichkeiten<br />
vermehrt sowie durch mediale Angebote vom Fernsehen bis<br />
zum Computer erweitert. Die Reise- <strong>und</strong> Ausflugsintensität stieg auf ein ungeahntes<br />
Niveau. Das heutige Freizeitangebot ist gekennzeichnet durch eine<br />
noch wachsende Vielfalt, eine hohe Qualität <strong>und</strong> Technologie sowie<br />
durch eine hohe Innovationsrate. Es bietet mehr Wahlfreiheit als je zuvor.