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Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft

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(34) Reanalyse altfranzösischer SV(O)-Matrixsätze:<br />

Elterngrammatik Kindergrammatik<br />

[CP Sj [C' Vi [IP tj ti O]]] → [IP SVO]<br />

Einen zusätzlichen Grund dafür, dass sich Kinder für eine solche Reanalyse entscheiden,<br />

sieht Roberts (1993:156) darin, dass der kindliche Erstspracherwerb durch die so genannte<br />

"Least Effort Strategy" geleitet ist. Es handelt sich bei dieser Strategie um eine Art 'loi du<br />

moindre effort', die Roberts – in Anlehnung an Chomsky (1991) – auf mentale Verarbeitungsprinzipien<br />

zurückführt. Sie besagt, dass Kinder während des Spracherwerbs versuchen,<br />

möglichst solche Strukturen zu verwenden und letztendlich zu erwerben, die mental<br />

leicht(er) zu verarbeiten sind. Roberts geht dabei davon aus, dass die in der (generativen)<br />

Grammatiktheorie angenommenen und postulierten Bewegungsoperationen mit der mentalen<br />

Verarbeitung von Sprache korrelieren. Er nimmt also an, dass Kinder möglichst diejenigen<br />

Strukturen verwenden und erlernen, die die geringste Zahl von Bewegungen (bzw.<br />

Kettenbildungen) erfordern. Allerdings liefert er keinerlei empirische Evidenz für diese<br />

Annahme. Sie ist außerdem insofern äußerst problematisch, als dadurch den auf der<br />

Grundlage der generativen Grammatiktheorie entwickelten Strukturen eine psychologische<br />

Realität zugestanden wird, die bisher weder nachgewiesen werden konnte noch durch die<br />

Theorie intendiert ist.<br />

Die unmittelbare Konsequenz dieser Reanalyse ist nach Ansicht von Adams der Verlust<br />

der Null-Subjekt-Eigenschaft im Französischen. Kinder, die diese Reanalyse durchgeführt<br />

haben, können Nullsubjekte nicht mehr lizensieren, da deren kanonische Rektion durch das<br />

Verb nicht mehr gegeben ist. Adams (1987a:26) betont, dass die Reanalyse in (34) nicht<br />

von allen Kindern einer Generation gleichzeitig durchgeführt wurde, sondern sich erst allmählich<br />

durchgesetzt hat. SV(X)-Sätze können daher über einen längeren Zeitraum hinweg<br />

entweder eine abgeleitete oder eine reanalysierte Struktur aufweisen, ohne dass dies zu<br />

Missverständnissen führt, da sie oberflächlich identisch sind. Nach Ansicht von Adams<br />

(1987a:26) setzt sich die neue Struktur letztendlich deshalb durch, weil auf Grund der Reanalyse<br />

die Zahl der Sätze mit einer eindeutigen Verb-Zweit-Struktur abnimmt und die<br />

Anzahl der SV(X)-Sätze zunimmt:<br />

So one individual's SVO main clause order may be derived and another's basic with no one the wiser<br />

because the only surface structure difference will be one of proportion: a greater variety of V2<br />

orders in the one case, more frequent SVO order in the other. Thus not all children of any one generation<br />

need reanalyze, nor would such a thing be likely, but children who do will be apt to get<br />

away with it. Change, then, may be quite slow and imperceptible. Nonetheless once reanalysis begins<br />

to take place its spread should be inevitable. This is so because reanalysis itself, by altering<br />

surface structure proportions, creates more positive evidence in favor of reanalysis.<br />

Auch Roberts (1993:144-160) nimmt an, dass der Wandel, der zur Aufgabe der Verb-<br />

Zweit-Stellungseigenschaft im Französischen führt, sehr langwierig ist und sich über mehrere<br />

Jahrhunderte hinweg vollzieht. Anders als Adams ist er allerdings der Ansicht, dass<br />

einzelne Sprecher, die bereits die nicht abgeleitete Struktur in (34) erworben haben, weiterhin<br />

gleichzeitig in der Lage sind, Sätze in der abgeleiteten Struktur zu verwenden. Demzufolge<br />

betrachtet Roberts (1993:197) das Mittelfranzösische als eine "optional V2 language",<br />

in der den einzelnen Sprechern generell beide Strukturoptionen zur Verfügung standen.<br />

Gleichwohl beobachtet auch er im Mittelfranzösischen einen allmählichen Rückgang von<br />

Sätzen mit einer Verb-Zweit-Struktur und gleichzeitig eine Zunahme von Sätzen mit einer<br />

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