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Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft

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Worte entsprechend seiner Vorstellungsfolge anordnen und den unmittelbaren Eindruck wiedergeben.<br />

Keine Regel hinderte ihn, die Satzglieder nach seinem Geschmack anzuordnen. Der Altfranzose<br />

hatte ein eigenes Stilideal, das er bald bewußt, bald unbewußt befolgte. (Blasberg 1937:1)<br />

Andere Autoren hingegen kommen zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung der altfranzösischen<br />

Wortstellung. So kritisiert bereits Thurneysen (1892) die zahlreichen Studien<br />

zur Wortstellung im Altfranzösischen, die fast ausnahmslos dessen Wortstellungsfreiheit<br />

konstatieren. Demgegenüber kommt er an Hand einer Auswertung des Prosateils der<br />

Chantefable Aucassin et Nicolette zu dem Ergebnis, dass die altfranzösischen "Satztypen<br />

den neufranzösischen an Einförmigkeit eher voran- als nachstehen" (Thurneysen<br />

1892:289). Diese Diskrepanz seiner Ergebnisse zu denen der anderen Studien führt Thurneysen<br />

nicht auf Unterschiede der untersuchten Texte oder der Auszählungsmethoden zurück,<br />

sondern vielmehr darauf, dass der Schwerpunkt der meisten Untersuchungen darin<br />

besteht, die Stellung des finiten Verbs in Bezug auf andere Satzglieder zu betrachten, ohne<br />

dabei aber "auf den Platz, den es im Satze überhaupt einnimmt" zu achten (Thurneysen<br />

1892:289). 12 Betrachtet man nämlich die Stellung des finiten Verbs im Satz, so kann nach<br />

Ansicht von Thurneysen von einer Stellungsfreiheit oder gar Regellosigkeit keine Rede<br />

sein. Vielmehr konstatiert Thurneysen (1892:289) als Ergebnis seiner Studie, dass "im Prosatexte<br />

von ,Aucassin und Nicolete‘ [...] die Stellung des Verbum finitum sozusagen völlig<br />

fest ist und einheitlichen Prinzipien folgt".<br />

Damit gebührt Thurneysen zweifelsohne "[d]as Verdienst, die feste Stellung des Verbums<br />

und infolgedessen seine Wichtigkeit für den Gesamtbau des Satzes erkannt zu haben"<br />

(Meyer-Lübke 1899:798). Thurneysens Studie muss als die Pionierarbeit zur Stellung des<br />

finiten Verbs in den frühromanischen Sprachen angesehen werden. Für eine Untersuchung,<br />

wie die hier vorgelegte, die die Stellung des finiten Verbs innerhalb des Satzgefüges zum<br />

Thema hat, ist sie von immenser Wichtigkeit. Auch in anderer Hinsicht hebt sich Thurneysens<br />

Studie von den meisten anderen ab. Sie ist nämlich eine der wenigen traditionellen<br />

Wortstellungsuntersuchungen, die nicht lediglich umfangreiche Beispiellisten zur Illustration<br />

verschiedener Wortstellungsmuster enthält. Vielmehr werden an Hand eines kurzen<br />

Textausschnittes die Wortstellungsverhältnisse exemplarisch dargestellt und die Beispiele<br />

in – lediglich drei – klar definierte Klassen unterteilt. Die Beispiele dienen nicht zur Illustration<br />

der angeblichen Vielseitigkeit des Altfranzösischen, sondern dazu, eine eingangs<br />

explizit formulierte These zu belegen. Damit unterscheidet sich Thurneysens Argumentationsweise<br />

sehr stark von derjenigen der meisten anderen bisher besprochenen Arbeiten.<br />

Dieser radikale Unterschied in der Forschungs- und Argumentationsweise dürfte auch<br />

ein Grund dafür sein, dass sich die Hoffnung von Thurneysen (1892:289), dass seine –<br />

durch Wackernagels Aufsatz von 1892 angeregte – Studie "dem einen oder dem anderen<br />

bei weiteren Forschungen dienen möge", offenbar nur in sehr begrenztem Maße erfüllt hat.<br />

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wie etwa Meyer-Lübke (1899), Richter (1903), bleibt<br />

seine Arbeit in den nachfolgenden Wortstellungsuntersuchungen weitgehend unberücksichtigt.<br />

13<br />

12 Weitere Gründe für die Unterschiede sieht Thurneysen (1892:289) darin, dass viele Studien auf<br />

poetischen Texten basieren oder Haupt- und Nebensätze getrennt behandeln und dadurch "so eng<br />

zusammengehörendes" auseinanderreißen.<br />

13 Zu den wenigen, die Thurneysens Arbeit würdigend erwähnen, gehört auch Wartburg (1946).<br />

Obwohl er, wie bereits gesehen, von einer großen Freiheit der altfranzösischen Wortstellung<br />

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