Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
Untitled - Fachbereich Sprachwissenschaft
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
56<br />
zunächst fest, dass die romanischen Sprachen im Vergleich zum Lateinischen eine geringere<br />
Wortstellungsfreiheit aufweisen, was er auf den Verlust der Kasusflexion zurückführt.<br />
Diez (1882:1092) betont jedoch gleichzeitig, dass "sie der Inversion immer noch in ziemlich<br />
hohem Grade mächtig [sind], in höherm gewiss als die neuern germanischen Sprachen".<br />
Er konstatiert eine "mehr oder minder streng vorgeschriebene Umstellung des<br />
Subjects, vermöge welcher es, sofern andre Satztheile vorangehen, seinen Platz nach dem<br />
Verbum einnimmt" (Diez 1882:1104). Seinen Beobachtungen zufolge tritt diese Umstellung<br />
in "Zwischensätzen" auf und in Matrixsätzen, die durch "andre Glieder" als das Subjekt<br />
eingeleitet werden. Im letzteren Fall "gebietet" seiner Ansicht nach zwar "keine Regel<br />
wie im Deutschen, aber eine Neigung zu der bemerkten Wortstellung lässt sich in einigen<br />
Sprachen nicht verkennen, zumal wenn der Satz mit einem Adv. anhebt" (Diez<br />
1882:1104f.). Den Grund für die Umstellung sieht Diez (1882:1105) in der Tendenz zur<br />
'logischen' Anordnung der Satzglieder:<br />
Es ist hier die vorherrschende Wortstellung, die eigentlich auf einer Umdrehung des Satzes beruht:<br />
denn wird ein vom Verbum abhängiger Satztheil vorangeschickt, so steht das Subj., um den logischen<br />
Zusammenhang jenes Satztheiles mit dem Verbum nicht zu stören, schicklicher Weise dem<br />
letzteren nach: aus [pr.] ieu sai ara wird ara sai ieu.<br />
Diez weist darauf hin, dass das Französische diesbezüglich einen Wandel erfahren hat, da<br />
die Umstellung des Subjekts im Neufranzösischen nur noch dann eintritt, wenn der Satz<br />
durch bestimmte Adverbien oder Adverbialkonstruktionen eingeleitet wird. Demgegenüber<br />
zeigt er an Hand von zahlreichen Belegen, dass im modernen Provenzalischen, Spanischen<br />
und im Italienischen diese Einschränkung nicht im gleichen Maße gilt. Gleichzeitig findet<br />
er aber auch derart viele Belege für die Nicht-Umstellung in diesem Kontext, dass er<br />
schließlich zu dem Schluss gelangt, "dass ein Gefühl für dieselbe, durch welches die pr.<br />
Sprache sich mit der deutschen näher befreundet, nicht angenommen werden dürfte" (Diez<br />
1882:1106).<br />
Abgesehen von dieser Pionierarbeit von Diez gibt es nur sehr wenige Untersuchungen<br />
der gesamtromanischen Syntax bzw. Wortstellung. Besonders zu erwähnen sind aus der<br />
Zeit der vorstrukturalistischen Romanistik die Arbeiten von Meyer-Lübke (1899) und<br />
Richter (1903). Als markantesten Unterschied aller romanischer Sprachen zum Lateinischen<br />
lässt sich nach Meyer-Lübke (1899:804) die "Neigung beobachten, das Verbum vom<br />
Satzende weg und in das Innere des Satzes zu ziehen, ihm die zweite Stelle zu geben". Am<br />
meisten ausgeprägt ist diese Neigung im Altfranzösischen und im Provenzalischen sowie<br />
im Rätoromanischen, bei dem "sich starker deutscher Einfluss namentlich darin geltend<br />
macht, dass das Subjekt unter all den Bedingungen dem Verbum folgen kann, in denen dies<br />
im Deutschen der Fall ist" (Meyer-Lübke 1899:805). In den anderen romanischen Sprachen<br />
findet Meyer-Lübke (1899:803) allerdings nicht "[s]o wohlthuend regelmässige Verhältnisse".<br />
So existiert im Alt- und auch Neuspanischen seiner Ansicht nach eine große Wortstellungsfreiheit,<br />
die "es fast unmöglich macht, allgemeinere Regeln aufzustellen" (Meyer-<br />
Lübke 1899:805). Als einzige Wortstellungsregel, die gemeinromanisch Gültigkeit hat,<br />
konstatiert Meyer-Lübke (1899:804) "die Inversion bei eingeschobenem Verbum des Sagens".<br />
Ebenso wie Diez beobachtet Meyer-Lübke den deutlichsten innerromanischen Wandel<br />
im Französischen. Dort geht die Regelhaftigkeit der Verb-Zweit-Stellung verloren, weil